Dr. Markus Schäpe FA f. VerkR

BGH zur Höhe des Haushaltsführungsschaden

Der 6. Zivilsenat am BGH hat sich mit Urteil vom 05.11.2024, Az. VI ZR 12/24, zur Schadensschätzung bei normativer Berechnung eines Haushaltsführungsschadens und dabei insbesondere zur Bestimmung der Stundensatzhöhe geäußert.


In dem aktuell entschiedenen Fall war die vollumfängliche Haftung der Beklagten dem Grunde nach bereits vorgerichtlich zwischen den späteren Prozessparteien unstreitig. Der Schadensfall hatte sich im Jahr 2016 ereignet. Demgegenüber bestand Streit über die Ausfalldauer in der klägerischen Haushaltsführung und die Höhe des dafür anzusetzenden Stundensatzes.


Das Berufungsgericht schätzte unter pauschalen Verweis auf zwei Urteile des OLG München (r+s 2021, 296 und NZV 2014, 577) die Vergütungshöhe einer fiktiven Ersatzkraft auf 8 € netto pro Stunde. Den zitierten Entscheidungen des OLG München lagen jeweils Unfälle aus dem Jahr 2009 zugrunde. Zudem vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass zwar für den von ihm herangezogenen (Netto-)Stundensatz tatsächlich keine Haushaltshilfe zu engagieren sei, dies aber von der Klägerin im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung hingenommen werden müsse.


Revisionsrechtlich hielt die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadenschätzung nach § 287 ZPO nicht Stand. Dabei fasste der BGH quasi zur Erinnerung die bisher von ihm zum Haushaltsführungsschaden entwickelten Grundsätze zunächst wie folgt zusammen:

 

  • In dem Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, liegt ein ersatzfähiger Schaden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschädigte Vermögensaufwendungen für die Entlohnung einer Ersatzkraft getätigt hat oder nicht.
  • Dieser Schaden stellt sich entweder als Erwerbsschaden im Sinne des § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder als vermehrte Bedürfnisse im Sinne des § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB dar, je nachdem ob die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt oder den eigenen Bedürfnissen des Geschädigten diente.
  • In beiden Fällen ist der Schaden messbar in der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt nicht mehr ausführbaren oder nicht mehr zumutbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (dann: Erstattung des Bruttolohns) oder, wenn von der Hinzuziehung einer Hilfskraft abgesehen wird und der Haushaltsführungsschaden deshalb normativ zu berechnen ist, gezahlt werden müsste (dann: Orientierung am Nettolohn).

Diese Rechtsprechung hat der Senat nun in seiner neuen Entscheidung weiter aus-gestaltet: Anhand der Urteilsgründe lassen sich für die Schätzung des Stundesatzes bei fiktiver Berechnung des Haushaltsführungsschadens folgende Leitsätze bilden:

 

  • Maßgeblich für die Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist das Lohnniveau zum Zeitpunkt des Ausfalls in der Haushaltsführung bzw. während der Ausfalldauer.
  • Der in diesem Zeitraum geltende Mindestlohn bildet dabei die Untergrenze des Bruttolohns, auf dessen Grundlage die Ermittlung des für die Schätzung maßgeblichen Nettolohns erfolgen kann. Gleichwohl muss der Tatrichter nachvollziehbare Gründe dafür nennen, warum dieser Mindestlohn – ausgehend von den Anforderungen an die konkret zu erbringende Tätigkeit bei Zugrundelegung durchschnittlicher Maßstäbe – als die Vergütung angesehen werden kann, die vom Geschädigten für eine fiktive Ersatzkraft zu zahlen wäre.
  • Der in § 21 Satz 1 JVEG bestimmte Stundensatz für die Entschädigung von Zeugen für Nachteile bei der Haushaltsführung hält der Senat aus Rechtsgründen als alleinige Schätzgrundlage für ungeeignet (ebenso: OLG Frankfurt/Main, VersR 2019, 435).

An seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach die im JVEG enthaltenen Bestimmungen zu Nebenkosten als Orientierungshilfe im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden können (DAR 2016, 451), hält der sechste Zivilsenat ausdrücklich fest.


Der BGH hat mit dem (Brutto-)Mindestlohn eine Untergrenze für die Ermittlung des im Rahmen der normativen Schadensabrechnung maßgeblichen Nettolohnes aufgestellt. Gleichwohl ist für den Tatrichter die Schadenschätzung nach § 287 ZPO dadurch keinesfalls einfacher geworden.


Entsprechendes gilt für die Anforderungen an einen substantiierten (Sach-)Vortrag zum Haushaltsführungsschaden durch den Geschädigten bzw. dessen Prozessbevollmächtigte: Ein pauschaler Verweis auf die nunmehr ergangene Entscheidung des BGH reicht weiterhin nicht aus.


Will sich der Tatrichter auf die Untergrenze „Mindestlohn“ zurückziehen, so muss er nachvollziehbare Gründe dafür benennen, warum konkret der Mindestlohn als die Vergütung anzusehen ist, die vom Geschädigten auch tatsächlich (auf dem Arbeitsmarkt) an eine Ersatzkraft zu zahlen wäre. Hierzu muss das Gericht in einem ersten Schritt sowohl die Art als auch die Qualität der ausgefallenen bzw. zu erbringenden Haushaltstätigkeit(en) feststellen.


Erst dann kann in einem zweiten Schritt eine Prüfung erfolgen, ob hierfür der (Netto-)Mindest-lohn überhaupt eine adäquate, d.h. vollumfängliche Schadenskompensation darstellt. In diesem Zusammenhang verweist der BGH auf die „mögliche Orientierung an durchschnittlichen Maßstäben“. Eine Recherche im Internet ergibt beispielsweise deutlich über dem Mindestlohn liegende und damit höhere Kosten für eine Haushaltshilfe auf dem seriösen Arbeitsmarkt. An dieser Stelle kommt es gerade auf den anwaltlichen Vortrag an, um eine vollumfängliche Schadenkompensation für die Mandantschaft zu erreichen.


Die vom Berufungsgericht im Rahmen einer normativen Schadensabrechnung lapidar hingenommene Schlechterstellung des Geschädigten ist damit vom Tisch. Die Wahl der Schadensabrechnung als solche hat keinen Einfluss auf die zu bestimmende Schadenshöhe.

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17.02.2025

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 05.11.2024
Aktenzeichen: VI ZR 12/24

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