Der 6. Zivilsenat am BGH hat sich mit Urteil vom 05.11.2024, Az. VI ZR 12/24, zur Schadensschätzung bei normativer Berechnung eines Haushaltsführungsschadens und dabei insbesondere zur Bestimmung der Stundensatzhöhe geäußert.
In dem aktuell entschiedenen Fall war die vollumfängliche Haftung der Beklagten dem Grunde nach bereits vorgerichtlich zwischen den späteren Prozessparteien unstreitig. Der Schadensfall hatte sich im Jahr 2016 ereignet. Demgegenüber bestand Streit über die Ausfalldauer in der klägerischen Haushaltsführung und die Höhe des dafür anzusetzenden Stundensatzes.
Das Berufungsgericht schätzte unter pauschalen Verweis auf zwei Urteile des OLG München (r+s 2021, 296 und NZV 2014, 577) die Vergütungshöhe einer fiktiven Ersatzkraft auf 8 € netto pro Stunde. Den zitierten Entscheidungen des OLG München lagen jeweils Unfälle aus dem Jahr 2009 zugrunde. Zudem vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass zwar für den von ihm herangezogenen (Netto-)Stundensatz tatsächlich keine Haushaltshilfe zu engagieren sei, dies aber von der Klägerin im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung hingenommen werden müsse.
Revisionsrechtlich hielt die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadenschätzung nach § 287 ZPO nicht Stand. Dabei fasste der BGH quasi zur Erinnerung die bisher von ihm zum Haushaltsführungsschaden entwickelten Grundsätze zunächst wie folgt zusammen:
Diese Rechtsprechung hat der Senat nun in seiner neuen Entscheidung weiter aus-gestaltet: Anhand der Urteilsgründe lassen sich für die Schätzung des Stundesatzes bei fiktiver Berechnung des Haushaltsführungsschadens folgende Leitsätze bilden:
An seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach die im JVEG enthaltenen Bestimmungen zu Nebenkosten als Orientierungshilfe im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden können (DAR 2016, 451), hält der sechste Zivilsenat ausdrücklich fest.
Der BGH hat mit dem (Brutto-)Mindestlohn eine Untergrenze für die Ermittlung des im Rahmen der normativen Schadensabrechnung maßgeblichen Nettolohnes aufgestellt. Gleichwohl ist für den Tatrichter die Schadenschätzung nach § 287 ZPO dadurch keinesfalls einfacher geworden.
Entsprechendes gilt für die Anforderungen an einen substantiierten (Sach-)Vortrag zum Haushaltsführungsschaden durch den Geschädigten bzw. dessen Prozessbevollmächtigte: Ein pauschaler Verweis auf die nunmehr ergangene Entscheidung des BGH reicht weiterhin nicht aus.
Will sich der Tatrichter auf die Untergrenze „Mindestlohn“ zurückziehen, so muss er nachvollziehbare Gründe dafür benennen, warum konkret der Mindestlohn als die Vergütung anzusehen ist, die vom Geschädigten auch tatsächlich (auf dem Arbeitsmarkt) an eine Ersatzkraft zu zahlen wäre. Hierzu muss das Gericht in einem ersten Schritt sowohl die Art als auch die Qualität der ausgefallenen bzw. zu erbringenden Haushaltstätigkeit(en) feststellen.
Erst dann kann in einem zweiten Schritt eine Prüfung erfolgen, ob hierfür der (Netto-)Mindest-lohn überhaupt eine adäquate, d.h. vollumfängliche Schadenskompensation darstellt. In diesem Zusammenhang verweist der BGH auf die „mögliche Orientierung an durchschnittlichen Maßstäben“. Eine Recherche im Internet ergibt beispielsweise deutlich über dem Mindestlohn liegende und damit höhere Kosten für eine Haushaltshilfe auf dem seriösen Arbeitsmarkt. An dieser Stelle kommt es gerade auf den anwaltlichen Vortrag an, um eine vollumfängliche Schadenkompensation für die Mandantschaft zu erreichen.
Die vom Berufungsgericht im Rahmen einer normativen Schadensabrechnung lapidar hingenommene Schlechterstellung des Geschädigten ist damit vom Tisch. Die Wahl der Schadensabrechnung als solche hat keinen Einfluss auf die zu bestimmende Schadenshöhe.
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