Dr. Markus Schäpe FA f. VerkR

Keine Verpflichtung zur Vorlage der Rechnung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 28.1.2025 (Az. VI ZR 300/25), die Rechte der Unfallgeschädigten bei der fiktiven Abrechnung gestärkt.

 

I.    Sachverhalt

Der Kläger hat nach einem Verkehrsunfall seines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs ein Gutachten eingeholt, das Reparaturkosten netto in Höhe von 3.087,80 € auswies. Während eines Aufenthalts in der Türkei ließ der Kläger sein Fahrzeug vollständig fach- und sachgerecht reparieren. Zu den gezahlten Reparaturkosten machte er keine Angaben.

Seine Klage auf Schadensersatz, unter anderem die im Gutachten festgestellten Reparaturkosten, hat das Amtsgericht zurückgewiesen: Die Klage sei unschlüssig, da der Kläger nur die in der Türkei tatsächlich angefallenen Reparaturkosten verlangen könne. Dazu habe er aber nichts vorgetragen.

 

 

II.    Entscheidungsgründe

Seine Klage auf Schadensersatz, unter anderem die im Gutachten festgestellten Reparaturkosten, hat das Amtsgericht zurückgewiesen: Die Klage sei unschlüssig, da der Kläger nur die in der Türkei tatsächlich angefallenen Reparaturkosten verlangen könne. Dazu habe er aber nichts vorgetragen.

 

Auf die Berufung des Klägers hin hat das Landgericht das Urteil teilweise abgeändert und die geltend gemachten Schadensersatzansprüche des Klägers unter Berücksichtigung einer Haftungsquote zugesprochen. Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten war erfolglos. Der BGH hat festgestellt, dass es keine Verpflichtung für den Kläger gibt, zu den tatsächlichen Reparaturkosten vorzutragen.

 

Mit diesem Urteil vom 3.12.2013 (VI ZR 24/13) hatte der BGH entschieden, dass auf der Grundlage einer preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen ist, wenn der Geschädigte die Möglichkeit einer vollständigen und fachgerechten, aber preiswerteren Reparatur selbst durch Vorlage der Rechnung darlegt hat. Mit Verweis auf dieses Urteil vertreten Versicherungen immer wieder die Ansicht, wenn eine sach- und fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs in dem Umfang erfolgt sei, dann sei der Schadensersatz auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten begrenzt. Andernfalls bestehe die Gefahr einer unzulässigen Bereicherung durch den Unfall.

 

Die „Gegenmeinung“ (u. a. OLG München, DAR 2021,208) vertritt zu dieser BGH-Entscheidung die Auffassung, dass mit einer Verpflichtung zum Vortrag zu einer tatsächlich durchgeführten Reparatur die Rechtsprechung zur „fiktiven Abrechnung“ letztlich aufgegeben werde. Schließlich führe es zu zufälligen Ergebnissen, je nachdem, ob die Reparatur vor oder nach der Schadenregulierung durchgeführt wird. Der BGH hat nun klargestellt, dass sich aus der BGH Entscheidung vom 3.12.2013 keine Verpflichtung zum Vortrag zu den Reparaturkosten in einem Fall wie dem vorliegenden ergibt.

 

Er hebt insbesondere die Tragweite der Ersetzungsbefugnis sowie die Dispositionsfreiheit des Geschädigten hervor: Dem Geschädigten kann auch nicht mangels Vorlage einer Reparaturkostenrechnung oder Vortrags zu den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten Schadensersatz versagt werden. Richtschnur für den vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu leistenden Ersatz sind nicht die vom Geschädigten tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten, sondern der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag. Bei der Ermittlung dieses Betrags sind im Rahmen der fiktiven Abrechnung Gesichtspunkte, die eine tatsächlich durchgeführte Reparatur betreffen, grundsätzlich irrelevant.

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision angeführten BGH-Urteil. Darin heißt es zwar: „Deshalb beläuft sich auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten, wenn der Geschädigte seinen Kraftfahrzeugsachschaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren lässt, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und die von der beauftragten Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten unterschreiten“.

 

Diese Aussage bezieht sich jedoch auf einen vom Streitfall abweichenden Sachverhalt. Im dortigen Fall war ein Verweis der Schädigerseite auf eine gleichwertige, aber günstigere Reparaturmöglichkeit in einer dem Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Werkstatt nicht erforderlich, weil der Geschädigte hierzu selbst – auch zu den Kosten der in einer Fachwerkstatt an seinem Wohnort durchgeführten Reparatur – vorgetragen hatte. Damit hatte der Geschädigte selbst eingeräumt, dass die Voraussetzungen der Schadensminderungspflicht erfüllt sind.

 

So liegt der Fall hier aber nicht: Der Kläger hat die fiktive Abrechnung der Reparaturkosten gewählt und nicht selbst zu einer gleichwertigen, aber günstigeren Reparaturmöglichkeit in einer ihm mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Werkstatt vorgetragen. Um eine solche Werkstatt, auf die die Beklagte den Kläger hätte verweisen können, handelt es sich bei der Reparaturmöglichkeit in der Türkei von vornherein nicht, wie die Revision selbst erkennt.

 

 

III.    Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie klarstellt, dass die Rechte der Geschädigten bei der fiktiven Abrechnung im Hinblick auf eine nachfolgende Reparatur nicht beschnitten werden dürfen. Für die anwaltliche Praxis ist zu betonen, dass bei fiktiver Abrechnung nicht ohne Notwendigkeit zu einer „im Nachgang“ erfolgten Reparatur und insbesondere nicht zu den dabei angefallenen Reparaturkosten vorgetragen werden sollte, da sonst von der fiktiven zur konkreten Schadensabrechnung übergegangen wird.

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02.06.2025

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 28.01.2025
Aktenzeichen: VI ZR 300/25

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