Dr. Markus Schäpe FA f. VerkR
In den Entscheidungen vom 25.03.2025 (Az. VI ZR 277/24) und 08.04.2025 (Az. VI ZR 25/24) hat sich der BGH primär mit der Zulässigkeit von Feststellungklagen beschäftigt.
Die Klageparteien hatten sich vorgerichtlich für eine fiktive Abrechnung ihres Sachschadens entschieden und behielten dies über die gesamte Verfahrensdauer bei. Die Passivseite wurde neben Leistung der erforderlichen Instandsetzung auch auf Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung zukünftiger Sachschäden in Anspruch genommen worden ist.
In seinem Urteil vom 25.03.2025 fasst der VI. Zivilsenat die von ihm bereits postulierten Grundsätze für einen Wechsel von der fiktiven zur konkreten Schadensabrechnung – lehrbuchartig – wie folgt zusammen: Der Geschädigte eines Kraftfahrzeugsachschadens hat die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet (Urteil vom 28.01.2025, Az. VI ZR 300/24). Dabei kann der Geschädigte, wenn er seinen Fahrzeugschaden zunächst fiktiv abgerechnet hat, später – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung – grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten einschließlich Mehrwertsteuer und Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfallentschädigung verlangen.
Zusätzlich schließt sich der VI. Senat einer jüngeren Entscheidung des V. Senats vom 27.10.2023 (Az. V ZR 43/23) zur Zulässigkeit von Feststellungsklagen hier (in Bezug auf etwaige Mängelbeseitigungskosten) an und überträgt die Argumentation seiner Senatskollegen auf die Zulässigkeit derartiger Klagen bei (deliktischen) Sachschadenskosten: Berechnet der Geschädigte seinen Schaden zulässigerweise auf der Grundlage der von dem Sachverständigen ermittelten Kosten fiktiv, also ohne Durchführung der Reparatur und damit insbesondere ohne Umsatzsteuer, hat er – schon um der drohenden Verjährung zu begegnen – ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden.
Komplettiert wird die Entscheidung aus dem März durch ein weiteres Urteil vom 08.04.2025 (VI ZR 25/24): Darin führt der Senat zum Feststellungsinteresse bereits im Leitsatz aus, dass der Geschädigte gerade nicht darlegen müsse, die konkrete Absicht zu haben, sein Fahrzeug zu reparieren. Vielmehr reiche die Darlegung, dass die Möglichkeit der Reparatur bestehe, grundsätzlich aus. Daran fehlte es erst, wenn aus Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund bestünde, mit der Reparatur wenigstens zu rechnen.
Der maßgebliche Zeitpunkt für das Feststellungsinteresse ist der Schluss der mündlichen Verhandlung, § 256 Abs. 2 i.V.m. § 136 Abs. 4 bzw. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO. In dem Urteil aus dem März 2025 hatte der Kläger sein Fahrzeug während des Rechtsstreits veräußert und nicht nachweisen können, dass es bis dahin repariert worden ist. Damit entfiel die Möglichkeit des Eintritts weiterer Schäden und damit auch das Feststellungsinteresse des Klägers vor dem entscheidenden Zeitpunkt; seine Feststellungsklage blieb deshalb erfolglos. Anders sah es für die Klägerin in dem zweiten Rechtsstreit aus: Dort wurde ihrer Feststellungsklage stattgegeben.
Die bisherige Argumentation seitens der KH-Versicherer, wonach sich der Geschädigte innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren entscheiden müsse, ob er sein Fahrzeug reparieren bzw. eine Ersatzbeschaffung vornehmen und somit konkret abrechnen wolle und allein ein Feststellungsinteresse nicht dazu führen könne, die Verjährungsfrist auf 30 Jahre zu erweitern, hat der BGH damit eine klare Absage erteilt. Auch der Verweis der Beklagten auf ihre dem Grunde nach unstreitige Haftung und eine bisher fiktive Schadensabrechnung vermochten den Senat nicht zu überzeugen. Damit ist ein alter „Klassiker“ in Schadensersatzprozessen abgeräumt.
Durch einen zusätzlichen Feststellungantrag in Schadensersatzprozessen werden der Streitwert und damit auch die Gebühren erhöht. Bei der Berechnung des Gegenstandswertes für die Feststellungsklage ist auf die Mehrwertsteuer im Falle einer Reparatur bzw. ihr Anteil im Wiederbeschaffungswert bei Ersatzbeschaffung sowie die dann anfallende Nutzungsausfallentschädigung oder etwaige Mietwagenkosten abzustellen. Dabei ist der Streitwert grundsätzlich um 20 Prozent niedriger als der entsprechende Zahlungsanspruch anzusetzen (MüKo/Wöstmann, 7. Aufl. 2025, ZPO § 3, RdNr. 76).
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