Dr. Markus Schäpe FA f. VerkR
Sachverhalt
Der Antragsteller führte nach dem Konsum von Amphetaminen ein Kraftfahrzeug. Daraufhin entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrberechtigung und forderte bei der Neubeantragung ein medizinisch-psychologisches Gutachten. Dies hatte zum Ergebnis, dass nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit das Fahren unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln (Amphetamin) ausgeschlossen werden könne; trotz der Behauptung des einmaligen Drogenkonsums sei ein Drogenverzicht in einem Zeitraum von sechs Monaten für eine günstige Verhaltensprognose erforderlich. Dafür sind Urin- und/oder Haaranalysen nach den CTU-Kriterien erforderlich.
Da der Antragsteller nur Analysen von zu selbstgewählten Zeitpunkten entnommenen Blutproben vorlegte und eine Haaranalyse ablehnte, wurde in der MPU die notwendige Basis für eine ausreichend abgesicherte Verhaltensprognose verneint.
Die Fahrerlaubnisbehörde forderte für die Neuerteilung weiterhin eine positive MPU. Der Betroffene legte jedoch nur zwei weitere Urinproben-Analysen zur Entlastung vor. Auf den Hinweis, dass die Eignung der vorgelegten Abstinenznachweise mit der Begutachtungsstelle für Fahreignung zu klären und in jedem Fall ein neues MPU-Gutachten beizubringen sei, lehnte der Ast. die neue Begutachtung ab. Der Antrag auf Neuerteilung wurde abgelehnt.
Der Antragsteller erhob Verpflichtungsklage und forderte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die vorläufige Erteilung der Fahrerlaubnis, da von ihm Abstinenz und damit die Fahreignung nachgewiesen sei, daher keine MPU mehr notwendig sei. Das verneinte die Vorinstanz, da laut MPU-Gutachten der Drogenabstinenznachweis fehlt und im Nachgang kein hinreichender Beleg für einen Drogenverzicht über die erforderlichen sechs Monate vorgelegt wurde. Auch die Beschwerde vor dem VGH München blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Der VGH München verneinte einen Anordnungsanspruch. Es lasse sich nicht feststellen, dass mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens bestehe.
Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist insbesondere, wer Betäubungsmittel im Sinne des BtMG (ausgenommen Cannabis) einnimmt (Nr. 9.1 der Anl. 4 zur FeV). Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen.
Der zur Wiedererlangung der Fahreignung erforderliche Nachweis, dass kein Konsum mehr vorliegt, ist entsprechend Nr. 9.5 der Anl. 4 zur FeV erst geführt, wenn eine Abstinenz von in der Regel einem Jahr und ein motivational gefestigter Verhaltens- und Einstellungswandel belegt werden (vgl. Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anl. 4a zur FeV Grundlage für die Beurteilung sind).
Für eine positive Verhaltensprognose ist nach den Begutachtungsleitlinien wesentlich, dass zur positiven Veränderung der körperlichen Befunde einschließlich der Laborbefunde ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene die notwendige Abstinenz auch in Zukunft einhält. Letzteres kann nur im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung festgestellt werden. Daher sieht § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV vor, dass zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis nach Entzug wegen Betäubungsmittelkonsum zwingend ein MPU-Gutachten einzuholen ist. Die Neuerteilung scheitert daher schon am fehlenden MPU-Gutachten mit positiver Prognose.
Soweit das Gutachten einen einmaligen Drogenkonsum annimmt und in diesem Zusammenhang auch von einer klaren Distanzierung vom anlassgebenden Drogenkonsum spricht, bezieht sich das nach Senatssicht allein auf den Grad der früheren Drogengefährdung und der daraus abzuleitenden Mindestdauer des nachzuweisenden Drogenverzichts. Es fehle jedoch an einer anhand der Beurteilungskriterien nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit einem stabilen Einstellungswandel bzw. einer angemessenen Problembewältigung.
Diese medizinisch-psychologische Beurteilung könne nicht durch bloße Abstinenznachweise ersetzt werden, da eine etwaige Abstinenz nichts über deren Stabilität besage. Auch wurden die im Zuge der Begutachtung und die im Nachgang dazu beigebrachten Urinproben als ungeeignet angesehen, um eine Abstinenz über den Zeitraum von sechs Monaten zu belegen. Ein Nachweis entsprechend der CTU-Kriterien wurde verneint. Abgesehen davon, dass kein Kontrollprogramm mit einer festgelegten Kontrollzeitraum ersichtlich sei, wären für einen Programmzeitraum von sechs Monaten mindestens vier unauffällige Urinproben erforderlich.
Auch eine Erteilung der Fahrerlaubnis unter Auflagen, etwa der Verpflichtung zur Vorlage von Abstinenznachweisen, ist ausgeschlossen.
Auswirkungen auf die Praxis
Immer wieder versuchen Betroffene, durch selbst beigebachte Proben/Belege und ohne Teilnahme an einem anerkannten Abstinenzprogramm ihre Drogenfreiheit für eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis nachzuweisen. Dieser Möglichkeit hat das Gericht erwartungsgemäß eine Absage erteilt.
Wenn die Formalien nach den Begutachtungslinien und -kriterien nicht eingehalten sind, kann nicht erfolgreich gegen die Ablehnung der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis vorgegangen werden. Darüber muss der Mandant aufgeklärt werden.
Dabei ist zu beachten, dass es seit 2022 neue Begutachtungskriterien der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) gibt, die seit dem 01.07.2023 verbindlich gelten. Insbesondere wurden dabei die CTU-Kriterien und Abstinenzzeiten angepasst.
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