Dr. Markus Schäpe FA f. VerkR
Nach einer strafrechtlichen Trunkenheitsfahrt mit einem Mofa oder E-Scooter wird regelmäßig die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen, ausnahmsweise ein Fahrverbot nach § 44 StGB verhängt. Da die Entziehung nach § 69 StGB daran anknüpft, dass sich die Ungeeignetheit beim Führen eines Kfz gezeigt hat, ist diese Maßnahme gegenüber einem Radfahrer ausgeschlossen; hier kann lediglich die Nebenstrafe des Fahrverbots nach § 44 StGB verhängt werden.
Nach den Umständen der Tat kann die Fahrerlaubnisbehörde eigene Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen haben, sei es wegen einer wiederholten Alkoholauffälligkeit oder aufgrund der festgestellten Alkoholisierung oder wegen fehlender Ausfallerscheinung trotz hoher Promillewerte. Diesen Zweifel hat sie nachzugehen und muss Maßnahmen zur Klärung der Eignungsfrage einleiten; in der Regel folgt die Anordnung zur medizinisch-psychologischen Untersuchung.
Was die Nichtvorlage einer positiven MPU für das zukünftige Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wie E-Scooter oder Fahrräder bedeutet, hat der VGH München am 17.04.2023 (Az.: 11 BV 22.1234) entschieden: § 3 FeV soll zukünftig keine Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge aufgrund von Verstößen gegen den Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mehr zulassen.
Sachverhalt:
2016 wurde dem Kläger wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,82 Promille die Fahrerlaubnis entzogen; nach Sperrfrist wurde keine neue Fahrerlaubnis erteilt. Wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem fahrerlaubnisfreien Mofa mit 1,24 Promille verhängte das AG im Mai 2021 ein dreimonatiges Fahrverbot nach § 44 StGB.
Im Juni 2021 ordnete das Landratsamt auf Grundlage von § 13 S. 1 Nr. 2b FeV die Beibringung einer MPU an, da der Kläger wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat und geklärt werden müsse, ob beim Kläger zukünftig ein ausreichendes Trennungsvermögen zwischen Alkoholkonsum und Führen von Fahrzeugen vorhanden sei. Der Kläger verweigerte die Beibringung der MPU, woraufhin ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 04.10.2021 untersagte, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen; nichtmotorisierte Fahrzeuge wurden ausdrücklich ausgenommen.
Im November 2021 erhob der Kläger hiergegen Klage zum VG Augsburg. Dieses wies die Klage ab, da die auf § 3 Abs.1 S.1 FeV ergangene Entscheidung des Landratsamtes rechtmäßig gewesen sei (Urteil vom 21.02.2022, Az.: Au 7 K 21.2287). Die Berufung des Klägers hatte beim VGH München Erfolg.
Begründung:
Zweifel bestehen nach Ansicht des Gerichts zwar bereits, ob die durch die MPU zu klärende Fragestellung (die zukünftige Eignung zum Führen sämtlicher motorisierter und nichtmotorisierter Fahrzeuge) rechtmäßig war. Da aber § 3 Abs. 1 S. 1 FeV als Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar sei, konnte dies dahinstehen. Die Vorschrift sei weder hinreichend bestimmt noch verhältnismäßig und folglich unwirksam.
Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm hängen u.a. von der Intensität der Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen ab: Je intensiver eine Freiheitsbeschränkung des Einzelnen ist, desto höher ist die gebotene inhaltliche Bestimmtheit der Norm. § 3 Abs. 1 S. 1 FeV ermächtigt die Fahrerlaubnisbehörde zu schwerwiegenden Eingriffen in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, konkret die Mobilität des Betroffenen. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge aller Art kann den Betroffenen auf den nicht immer und nicht überall erreichbaren und mit teils erheblichen Kosten verbundenen öffentlichen Personen- und Gelegenheitsverkehr beschränken. Die Teilnahme am Straßenverkehr mittels eines Fahrrades, was ansonsten jedermann erlaubt ist, kann für die private Lebensgestaltung von erheblicher Bedeutung sein.
Zudem sei nicht ausreichend klar geregelt, wann sich der Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge als ungeeignet erweist bzw. wann Eignungszweifel im Sinne des § 3 Abs. 2 FeV vorliegen. Die amtliche Begründung zu § 3 FeV unter Verweis auf § 2 Abs. 4 StVG bezieht sich nur auf die Kraftfahreignung. Auch gibt es keine den Begutachtungsrichtlinien zur Kraftfahreignung vergleichbaren verkehrsmedizinischen Gutachten, die sich gerade mit den Eignungsmängeln beim Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge befassen. Da sich Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind, jedoch von Kraftfahrzeugen u.a. in Größe, Gewicht, Fahrgeschwindigkeiten, Art der Bedienung und Gefahrenpotential erheblich unterscheiden, sei es daher unzulässig, identische körperliche und geistige Anforderungen an das Führen von fahrerlaubnispflichtigen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zu stellen.
Bislang ist von der Rechtsprechung nicht geklärt, ob sich die Eignungszweifel nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug auch auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge erstrecken dürfen. Unter Bezugnahme auf § 69 StGB, der ja keine Maßnahme für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge vorsieht, sei dies wohl nicht der Fall. Nachdem die Beurteilung von Eignungsmängeln meist medizinisch-psychologischen Sachverstand erfordert, sei es zudem bedenklich, wenn die Fahrerlaubnisbehörden eine unbestimmte Eingriffsermächtigung selbst auslegen und ihr Auswahlermessen auf der Grundlage allgemeiner Lebenserfahrung ausüben.
Vielmehr wäre es geboten, an die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge weniger hohe Anforderungen zu stellen als an das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge. Es sollte ferner zwischen fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und sonstigen Fahrzeugen (Fahrrad) unterschieden werden. Der VGH München hat zur verbindlichen Klärung die Revision zum BVerwG zugelassen.
Rechtliche Einordnung:
Die Fälle, in denen eine Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrrädern untersagt, waren bisher schon selten und dürften jetzt weiter abnehmen. Auch in dem streitgegenständlichen Fall enthielt der Untersagungs-Bescheid ausdrücklich die Erlaubnis, nichtmotorisierte Fahrzeuge weiterhin fahren zu dürfen. Interessant bleibt aber die Eignung für fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge wie E-Scooter oder Mofa.
Nachdem das BVerwG mit Urteil vom 04.12.2020 (Az.: 3 C 5/20) bereits festgestellt hatte, dass das StVG und die FeV das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, nur punktuell regeln und einige Auslegungsfragen bestehen, so dass hier seitens der Gesetz- und der Verordnungsgeber für Klarheit zu sorgen sei, wird einer Revision gespannt entgegengesehen.
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