Dr. Olaf Schermann FA f. ErbR

Abgrenzung zwischen Nießbrauch und Vorerbschaft

Bleibt bei der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen zweifelhaft, ob der Wille des Erblassers auf die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge oder eines Nießbrauchsvermächtnisses gerichtet war, so spricht bei der Auslegung der Umstand für die Anordnung eines Nießbrauchsvermächtnisses, dass hierdurch der wiederholte Anfall von Erbschaftssteuer vermieden wird.

Hinweis für die Praxis
Die Beantwortung der Frage, ob der Erblasser eine Vor- und Nacherbfolge oder ein Nießbrauchsvermächtnis anordnen wollte, bereitet in der Praxis häufig erhebliche Schwierigkeiten, weil die Stellung des Vorerben in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend der eines Nießbrauchers ähnelt (MüKo/Lieder, BGB, § 2100 Rn. 6). Zur Abgrenzung enthält das Gesetz keine eigene Auslegungsregel. Welche Begriffe der Erblasser im Testament verwendet hat, ist nicht allein entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Bedachte für einen bestimmten Zeitraum, wenn auch unter gewissen Einschränkungen, eigenverantwortlicher Herr des Nachlasses sein soll. Ist dies der Fall, ist eine Vorerbschaft anzunehmen, anderenfalls liegt ein Nießbrauchsvermächtnis vor (BayObLGZ 1960, 154; BayObLGZ 1965, 457; OLG Düsseldorf, FamRZ 2021, 1246; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2100 Rn. 5). Entscheidend ist zudem, ob der Erblasser einen zweimaligen Anfall der Erbschaft, also zeitlich aufeinanderfolgende Erben, gewollt hat (BayObLGZ 2001, 208; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2100 Rn. 5).

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13.02.2025

Informationen

OLG Karlsruhe
Urteil/Beschluss vom 01.10.2024
Aktenzeichen: 14 U 144/23

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