Hat der Erblasser nicht ausdrücklich einen Erben eingesetzt und wurden lediglich Verfügungen über einzelne Nachlassbestandteile getroffen, die aber den gesamten Nachlass erschöpfen, ist davon auszugehen, dass diese Verfügungen auch eine Erbeinsetzung enthalten.
Wesentliche Anhaltspunkte für eine Erbeinsetzung können die Art des zugewendeten Einzelgegenstandes und dabei insbesondere das Wertverhältnis des zugewendeten Einzelgegenstandes zum Wert des Gesamtnachlasses sein; maßgebend ist dabei grundsätzlich die Vorstellung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung.
Hinweis für die Praxis:
Die Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes ist entgegen der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB dann als Erbeinsetzung anzusehen, wenn er praktisch den ganzen Nachlass ausmacht oder das übrige Vermögen im Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat (BGH, NJW-RR 2017, 1035; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2022, 1021; OLG München, FGPrax 2020, 141; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2087 Rn. 5). Insbesondere wenn ein Grundstück oder eine Eigentumswohnung ihrem Wert nach den wesentlichen Teil des Vermögens bildet, liegt es nahe, in ihrer Zuwendung an eine bestimmte Person deren Einsetzung als Alleinerbe zu sehen (OLG Brandenburg, ZEV 2023, 319; OLG München, FamRZ 2008, 725; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2087 Rn. 5). Demgegenüber spricht die Zuwendung von Geldbeträgen in der Regel gegen einen Willen des Erblassers, die in dieser Weise bedachten Personen als Erben einzusetzen (BayObLG, NJW-RR 2003, 297; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2087 Rn. 8). Die Rechtsprechung verlangt zwar regelmäßig eine Quote von mindestens 80 % für die Annahme einer Erbeinsetzung (OLG Brandenburg, ZEV 2023, 319; OLG Frankfurt, NJW-RR 2022, 439). Abweichend hiervon kann jedoch auch derjenige als Alleinerbe angesehen werden, dem ein Nachlassgegenstand zugedacht ist, der wertmäßig mehr als die Hälfte des Nachlasses ausmacht, wenn der Rest unter mehreren anderen Personen verteilt wurde (Staudinger/Otte, BGB, § 2087 Rn. 22).
Mehr aus diesem Rechtsgebiet lesen
Unten finden Sie eine Auswahl von Fortbildungen zum Rechtsgebiet Erbrecht.
Alle Onlineseminare zu Erbrecht finden Sie hier
Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung
Fragen und Antworten