Dr. Olaf Schermann FA f. ErbR
Hat der Pflichtteilsberechtigte, der mit einem Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs bedacht ist, das Vermächtnis angenommen, stehen ihm keine auf § 2314 BGB gestützten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche zu, da endgültig feststeht, dass ein Pflichtteilsanspruch nicht mehr besteht.
In einem derartigen Fall kann ein allgemeiner, aus § 242 BGB resultierender Auskunftsanspruch bestehen. Dieser ist lediglich auf Vorlage eines einfachen Nachlassverzeichnisses gerichtet.
Ein Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses steht dem Vermächtnisnehmer in einem solchen Fall nicht zu.
Anmerkung für die Praxis:
Grundsätzlich kann auch ein Pflichtteilsberechtigter, der mit einem Vermächtnis bedacht ist, vom Erben nach § 2314 BGB Auskunft und Wertermittlung verlangen. Dies gilt unabhängig davon, ob er das Vermächtnis annimmt oder ausschlägt und ob es den Wert des Pflichtteils übersteigt (BGHZ 28, 177 = NJW 1958, 1964; OLG Köln, NJW-RR 1992, 8; OLG Oldenburg, NJW-RR 1993, 782; OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 1236; Grüneberg/Weidlich, § 2314 Rn. 3). Der Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch soll dem Pflichtteilsberechtigten die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung erleichtern und die Berechnung ermöglichen, ob und in welcher Höhe ihm ein restlicher Pflichtteilsanspruch nach § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB zusteht.
Die Ansprüche aus § 2314 BGB stehen dem Pflichtteilsberechtigten aber dann nicht mehr zu, wenn ein Pflichtteilsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr bestehen kann (BGHZ 28, 177 = NJW 1958, 1964; Staudinger/Herzog, BGB, § 2314 Rn. 20; MüKo/Lange, BGB, § 2314 Rn. 66), weil dann auch kein Informationsbedürfnis für ihn mehr besteht.
Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Pflichtteilsberechtigter ein Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs annimmt, weil dadurch sein Pflichtteilsanspruch vollständig erlischt (§ 2307 Abs. 1 BGB). Zur Durchsetzung seines Vermächtnisanspruchs steht ihm dann nur ein allgemeiner Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu, der aber nicht auf Vorlage eines notariellen, sondern nur eines einfachen privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses gerichtet ist. Ein Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses (§ 2314 Abs. 2 BGB) steht ihm ebenfalls nicht zu, sondern allenfalls nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf
eigene Kosten.
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