Cornel Pottgiesser FA f. Handels- u. GesR

Die Bewertung "Versandkosten Wucher" ist durch die Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt

Der Absatz 2 Satz 2 des § 8 in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay fordert lediglich eine sachliche und nicht verletzende Bewertung von Nutzern und legt keine vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von persönlichen Werturteilen in Bewertungskommentaren fest, die über die Grenzen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten hinausgehen.

 

Über die Online-Plattform eBay kaufte der Beklagte Gelenkbolzenschellen von der Klägerin für 19,26 € brutto, wobei 4,90 € für Versandkosten anfielen. Der Verkauf erfolgte gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (nachfolgend: „eBay-AGB“). Laut § 8 Nr. 2 Satz 2 der eBay-AGB müssen Nutzer bei Bewertungen sachlich bleiben und keine Schmähkritik äußern. Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft auf der Bewertungsplattform von eBay wie folgt: „Ware gut, Versandkosten Wucher!!“ Die Klägerin forderte die Entfernung dieser Bewertung, was vor dem Amtsgericht jedoch abgelehnt wurde. Das Gericht befand, dass die Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" ein zulässiges Werturteil darstellt und keine unzulässige Schmähkritik enthält. Die Bewertung habe eine sachliche Beziehung zu den Versandkosten. Das Landgericht gab jedoch der Berufung der Klägerin statt und verurteilte den Beklagten zur Entfernung der Bewertung. Der Beklagte beantragte in seiner Revision, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

 

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass keine Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer durch § 8 Absatz 2 Satz 2 der eBay-AGB konkretisierten nachvertraglichen Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag (§ 280 Absatz 1,

§ 241 Absatz 2, § 249 Absatz 1 BGB) bestehen. Das Landgericht habe fälschlicherweise angenommen, dass die Klausel einen Schutz des Verkäufers durch ein Sachlichkeitsgebot gewähre, welches über das Verbot von Schmähkritik und unwahren Tatsachenbehauptungen hinausgehe.

 

Der BGH ist der Meinung, dass die Klausel keine über die deliktsrechtlichen Anforderungen hinausgehende Regelung darstellt. Obwohl der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig sei und verschiedene Auslegungen zulasse, könne der Nutzer lediglich das Verbot von Schmähkritik beachten und solle seine Bewertungen sachlich halten, um sich nicht dem Vorwurf der Schmähkritik auszusetzen, deren Grenzen jedoch nicht immer leicht zu ziehen seien.

 

Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass das Sachlichkeitsgebot in den eBay-AGB keine eigenständige Bedeutung haben sollte. Einerseits gibt es keine klaren Definitionen für den unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich" in den AGB, was es für alle Beteiligten wünschenswert macht, die Zulässigkeit von Bewertungen auf Grundlage der Rechtsprechung zu bestimmen. Es sollte auch berücksichtigt werden, dass Privatpersonen im Allgemeinen kein Sachlichkeitsgebot auferlegt wird (vgl. BVerfGK 3, 337, 345 m.w.N.). Andererseits wäre die Erwähnung der Schmähkritikgrenze unnötig, wenn das Sachlichkeitsgebot tatsächlich eine deutlich schärfere Einschränkung für Meinungsäußerungen vorsehen würde. Wenn man eine unsachliche Äußerung in den eBay-AGB als generell unzulässig betrachten würde, würden äußerungsrechtliche Grundsätze unterlaufen und die Meinungsfreiheit des Käufers würde nicht ausreichend gewürdigt werden. Auch wenn die Grundrechte einen Verkäufer vor herabsetzenden oder sachfremden Wertungen schützen, ist ein Eingriff in den Schutzbereich nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. (vgl. BGH VI ZR 39/14, ZIP 2015, 883).

 

Das Urteil des BGH stärkt die Meinungsfreiheit in der Plattformwirtschaft, aber es wirkt bevormundend, da die Beteiligten sich nicht auf das Sachlichkeitsgebot vertraglich einigen dürfen. Der BGH lehnt diese Möglichkeit ab und verweist auf das wohlverstandene Interesse der Parteien, obwohl er selbst feststellt, dass Privatpersonen nicht an das Sachlichkeitsgebot gebunden sind. Der BGH bemängelt auch das Fehlen einer genauen Definition von Sachlichkeit. Trotzdem könnte eine solche Regelung möglich sein, ohne die andere Vertragspartei unangemessen zu benachteiligen (§ 307 BGB). Die Aussage, dass vertragliche Regelungen nur auf die deliktische Rechtslage hinweisen, verabsolutiert die Rechtsprechung des BGH und widerspricht der Autonomie der Vertragsparteien.

 

Eine mögliche Definition des Sachlichkeitsgebots könnte wie folgt lauten: Sachlichkeit bedeutet eine objektive Haltung, die nicht von persönlichen Interessen oder Gefühlen beeinflusst wird. Das Sachlichkeitsgebot könnte sich insbesondere an § 43a Abs. 3 BRAO orientieren, der unsachliches Verhalten definiert als bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder herabsetzenden Äußerungen, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben. Das Verbot der Schmähkritik sollte fallen gelassen werden, da sachliche Kritik keine Schmähkritik ist.

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04.05.2023

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 28.09.2022
Aktenzeichen: VIII ZR 319/20

Fachlich verantwortlich

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