Prof. Roland Kesselring FA f. Bau- u. ArchitektenR
Ein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch des Architekten gegen den bauausführenden Unternehmer besteht mangels Gesamtschuldverhältnisses nicht, wenn dem Besteller einerseits ein Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 BGB gegen den Architekten wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Objektbegehungspflicht zusteht und ihm andererseits Mängelansprüche gegen den bauausführenden Unternehmer wegen diesem zuzurechnender Mängel des Bauwerks zustehen.
Hinweise für die Praxis
Der hier wiedergegebene Leitsatz entstammt der aktuellen BGH-Entscheidung aus dem Regressprozess des Architekten (bzw. dessen Haftpflichtversicherers) gegen die bauausführende Firma. Im Vorprozess hatte der Bauherr den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, aus Verjährungsgründen seinen Anspruch aber (nur) auf die Verletzung von Pflichten des Architekten bei Leistungen der Leistungsphase 9 gem. § 34 HOAI stützen können. Konkret ging es um den Vorwurf, die im Grundleistungskatalog zu Leistungsphase 9 erwähnte „Objektbegehung zur Mängelfeststellung“ nicht vorgenommen zu haben, wodurch Ansprüche gegen die Baubeteiligten – wiederum aus verjährungsrechtlichen Gründen – nicht verfolgt werden konnten.
Für diese Sachverhaltskonstellation (und nur darum geht es in der vorliegenden Entscheidung!) sind die Voraussetzungen eines Gesamtschuldverhältnisses nicht erfüllt, was der BGH zutreffend festgestellt hat. Denn auch wenn häufig „Gesamtschuld“ von überwachendem Architekten einerseits und bauausführendem Unternehmer andererseits angenommen wird, ist stets die hierfür erforderliche Gleichstufigkeit der Verpflichtungen festzustellen, aus der sich erst eine Tilgungsgemeinschaft im Sinne eines Gesamtschuldverhältnisses ergeben kann. Sie fehlt, wenn wie hier der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung nachrangig ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 429/19): beim Architekten ging es eben „nur“ um die einleitend erwähnte Objektbegehung nach der Abnahme der Bauleitungen im Rahmen der in Leistungsphase 9 übernommenen Leistungspflichten.
Um eines klarzustellen: die aktuelle BGH-Entscheidung besagt nicht, dass eine Haftung nach den Grundsätzen der Gesamtschuld stets ausscheidet, wenn es um Pflichtverletzungen des Architekten in Zusammenhang mit der Leistungsphase 9 geht: sie wäre beispielsweise denkbar, wenn der Architekt auch mit Leistungen der Überwachung der Mängelbeseitigung (Beseitigung von Gewährleistungsmängeln) beauftragt worden und die Pflichtverletzung dabei entstanden wäre.
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