Prof. Roland Kesselring FA f. Bau- u. ArchitektenR

Bauverträge nach VOB/B: Zur Unwirksamkeit der Kündigungsregelung des § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B, wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand.

 

Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam. (amtlicher Leitsatz)

Hinweis für die Praxis

Dem Rechtsstreit liegt ein baurechtlich fast schon als „Alltagsgeschäft“ zu bezeichnender Lebenssachverhalt zugrunde – die Auswirkungen der BGH-Entscheidung auf diesen wie auf vergleichbare Fälle sind allerdings gravierend! Es geht um die typische Situation der Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag durch den Auftraggeber der Bauleistung (hier: durch einen Generalunternehmer gegenüber seinem Nachunternehmer) – und um weitere Vertragsklauseln desselben Auftraggebers, die die VOB/B-Regelungen ihrerseits abändern: hier waren es konkret Regelungen zum Ausschluss der Preisanpassung bei Mengenänderungen (entgegen § 2 Abs. 3 VOB/B), zur Reduzierung von Abschlagsforderungen auf 90 % der jeweils nachgewiesenen Leistung und der damit korrespondierenden Teilvergütung etc. Während der Bauausführung kündigte der Auftraggeber wegen Mängeln – gestützt auf die im Leitsatz erwähnte Regelung des § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B durch Ausbringen einer Kündigungserklärung aus wichtigem Grund.

 

Da jede vertragliche Abweichung von der VOB/B aber dazu führt, dass diese nicht mehr als Ganzes vereinbart ist, und zwar unabhängig davon, welches Gewicht der jeweilige Eingriff hat (seit BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 - VII ZR 419/02, BGHZ 157, 346), kann es auf die Kündigungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B nicht mehr ankommen. Denn die vorzeitige Beendigung des gesamten Bauvertrages wegen (nur) einzelner Mängel, die während der Bauausführung festgestellt wurden, kennt das gesetzliche Leitbild des BGB eben nicht, nur die VOB/B.

 

Mit anderen Worten: für den kündigenden Auftraggeber kann es hier sehr teuer werden (der BGH hat zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen). Relevanz dürfte die Entscheidung für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle haben.

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04.04.2023

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 19.01.2023
Aktenzeichen: VII ZR 34/20

Quelle

amtliche Leitsätze

Fachlich verantwortlich

Prof. Roland Kesselring FA f. Bau- u. ArchitektenR

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