Bau- und Planerverträge: Aufgepasst - Vergütung nach freier Kündigung unterliegt nach EuGH vollständig der USt-Pflicht (auch für nicht erbrachte Leistungen)!

Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen,

dass der Betrag, der vertraglich geschuldet wird, weil der Empfänger einer Dienstleistung einen wirksam geschlossenen Vertrag über die Erbringung dieser mehrwertsteuerpflichtigen Dienstleistung – deren Ausführung der Dienstleistungserbringer begonnen hatte und zu deren Fertigstellung er bereit war –, beendigt hat, als Entgelt für eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne der Richtlinie 2006/112 anzusehen ist.

 

Hinweis für die Praxis:
Sowohl für (gekündigte) Bauverträge als auch für gekündigte Architekten- und Ingenieurverträge steht eine Änderung der Abrechnungspraxis und der steuerlichen Behandlung von Vergütungs-ansprüchen ohne Leistung („Kündigungsvergütung“ oder „Kündigungshonorar“ nach freier Auftraggeberkündigung gem. § 648 S. 2. BGB) unmittelbar bevor:

Denn der EuGH hat – auch wenn dessen Leitsatz wie üblich nur schwer zu lesen ist – Vergütungsansprüche für kündigungsbedingt nicht mehr erbrachte (nach dem Vertrag ursprünglich aber geschuldete) Leistungen im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Behandlung anderen Vergütungsansprüchen (für erbrachte Leistungen) gleichgestellt – auf sie entfällt also unter europarechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), und zwar in gleicher Höhe wie auf die Vergütung für erbrachte Bauleistungen! Verhandelt wurde zu einem frei gekündigten Bauvertrag, der nach inhaltsgleichen Bestimmungen des österreichischen Bauvertragsrechts nach ABGB abzuwickeln war und bei dem sich aufgrund dortiger entsprechender Regelungen ebenso die Frage nach der umsatzsteuerrechtlichen Abwicklung stellte. Europarechtskonform – so der EuGH – sei ausschließlich die Gesamtbetrachtung des Vertragsinhaltes, egal ob die Leistungen tatsächlich erbracht oder kündigungsbedingt nicht mehr erbracht wurden: die EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lasse keine andere Betrachtungs-weise zu.

Damit steht die Auslegung der EU-Richtlinie durch den EuGH in unmittelbarem Gegensatz zu der in Deutschland aktuell angewendeten Rechtspraxis sowohl der Finanzverwaltung als auch der Rechtsprechung des BFH und des BGH (keine Umsatzsteuer auf „Kündigungsvergütung“ oder „Kündigungshonorar“). Deren Änderung steht zu erwarten, ist aktuell aber noch nicht erfolgt.

Die zu erwartende Rechtsänderung im nationalen Recht dürfte übrigens auch solche Verträge betreffen, die vom jeweiligen Auftragnehmer der Werkleistung wegen Nichtleistung einer gefor-derten Sicherheit nach § 650f BGB gekündigt wurden. Denn die gesetzlich normierte Rechtsfolge (Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen = „Kündigungsvergütung“ oder “Kündigungs-honorar“) ist im Hinblick auf die dann nicht mehr erbrachten Leistungen die gleiche.

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02.06.2025

Informationen

EuGH
Urteil/Beschluss vom 28.11.2024
Aktenzeichen: Rs. C-622/23

Fachlich verantwortlich

Prof. Roland Kesselring

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