Dr. Olaf Schermann FA f. ErbR

Ausgleichung bei Übertragung „im Wege vorweggenommener Erbfolge“

Wird erheblicher Grundbesitz „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ auf einen von mehreren Abkömmlingen übertragen, ohne dass sich im Grundstücksübergabevertrag oder in sonstigen Unterlagen Hinweise darauf finden, dass die Erblasserin den Übertragungsempfänger durch die vorzeitige Grundstücksübertragung in irgendeiner Weise bevorzugen oder dessen Geschwister benachteiligen wollte, ist von einer im Erbfall ausgleichungspflichtigen Übertragung auszugehen.

Anmerkung für die Praxis:

Das Gesetz unterscheidet in § 2050 BGB drei Arten von lebzeitigen Zuwendungen, die bei der Auseinandersetzung unter den Abkömmlingen ausgleichungspflichtig sind oder sein können:

  • Ausstattungen (§ 2050 Abs. 1 BGB)
  • Zuschüsse und Ausbildungsaufwendungen (§ 2050 Abs. 2 BGB)
  • Andere Zuwendungen (§ 2050 Abs. 3 BGB)

Anders als Ausstattungen, die kraft Gesetzes ausgleichungspflichtig sind, sind andere Zuwendungen des Erblassers nur dann zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat.

Die Ausgleichungsanordnung bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form und kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend getroffen werden. Voraussetzung ist aber stets, dass die Anordnung so zur Kenntnis des Empfängers gelangt, dass dieser die Zuwendung auch ablehnen kann (OLG Stuttgart, BWNotZ 1977, 150; OLG Koblenz,

FamRZ 2013, 1164; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2050 Rn. 10).

Erfolgt eine lebzeitige Zuwendung „im Wege vorweggenommener Erbfolge“, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Erblasser damit eine Ausgleichungsanordnung gemäß § 2050 Abs. 3 BGB treffen wollte. Für eine Ausgleichungsanordnung spricht, dass der Empfänger einer solchen Zuwendung zeitlich vorgezogen mit Rücksicht auf das künftige Erbrecht bedacht sein soll (BGHZ 183, 376 = NJW 2010, 3023). Anderenfalls hätte die vom Erblasser gewählte Formulierung keinen Sinn.

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12.07.2023

Informationen

OLG Koblenz
Urteil/Beschluss vom 22.12.2022
Aktenzeichen: 12 U 1331/22

Fachlich verantwortlich

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