Dr. Olaf Schermann FA f. ErbR

Kein Fristanlauf bei Einräumung eines umfassenden Wohnungsrechts

Das dem Erblasser eingeräumte Wohnungsrecht hemmt den Beginn der Abschmelzungsfrist gem. § 2325 Abs. 3 BGB, wenn es an allen relevanten Räumen des verschenkten Hauses besteht, so dass der Erwerber insoweit keine eigene Nutzungsmöglichkeit hatte.

Anmerkungen für die Praxis:

 

Eine Schenkung bleibt gem. § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB unberücksichtigt, wenn zwischen der Leistung des verschenkten Gegenstandes und dem Eintritt des Erbfalls mehr als zehn Jahre vergangen sind, wobei die Frist grundsätzlich erst mit dem Eintritt des Leistungserfolges und nicht der Leistungshandlung zu laufen beginnt (BGH, NJW 1987, 122; NJW 2011, 3082; Grüneberg/Weidlich, BGB; § 2325 Rn. 25). Bei einer Grundstücksschenkung tritt der Leistungserfolg frühestens mit der Umschreibung des Grundstücks gem. § 873 Abs. 1 BGB im Grundbuch ein (BGH, NJW 2011, 3082; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2325 Rn. 25).

  

Inwieweit der Beginn der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB bei einer Grundstücksschenkung unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts gehemmt ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Während man beim Vorbehalt eines Nießbrauchs davon ausgeht, dass die Frist grundsätzlich nicht anläuft, weil der Erblasser nur seine formale Eigentümerstellung aufgibt und den Genuss des verschenkten Gegenstands nicht entbehren muss (BGHZ 125, 395 = NJW 1994, 1791; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2325 Rn. 26), ist das beim Vorbehalt eines dinglichen Wohnungsrechts nur ausnahmsweise der Fall (BGHZ 211, 38 = NJW 2016, 2957; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2325 Rn. 27). Grund hierfür ist der Unterschied zwischen dem Nießbrauch als umfassendem Nutzungsrecht und dem schwächeren Wohnungsrecht als beschränkter persönlicher Dienstbarkeit.

   

Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls, insbesondere, inwieweit der Übergeber das Grundstück im Wesentlichen weiter nutzt, wobei allein auf die rechtlich vereinbarte und nicht auch auf eine mögliche faktische Nutzung abzustellen ist (BGHZ 211, 38 = NJW 2016, 2957; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2325 Rn. 27).

   

Besteht das Wohnungsrecht am gesamten Gebäude und ist der Übernehmer von einer wirtschaftlichen Nutzung des Gebäudes durch Vermietung oder Eigennutzung ausgeschlossen, führt dies dazu, dass der Unterschied zwischen dem eingeräumten Wohnungsrecht und einem Nießbrauch tatsächlich so gering ist, dass die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB nicht anläuft.

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22.02.2023

Informationen

OLG München
Urteil/Beschluss vom 08.07.2022
Aktenzeichen: 33 U 5525/21

Fachlich verantwortlich

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