Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Arzthaftungsprozessrecht - 3. Mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht

Bleibt der Kläger erfolglos, versucht er nicht selten, vor dem Berufungsgericht zumindest eine mündliche Verhandlung zu erwirken, um seine Einwände bis zuletzt vorbringen zu können. Hier entwickeln sich mittlerweile indes – wie der folgende Fall zeigt – gegenläufige Tendenzen, die von einer Ausnahmepraxis für Arzthaftungsfälle zunehmend zurückweichen.

 

Der Fall:

Der am Kläger nimmt die Beklagte wegen einer nach seiner Behauptung fehlerhaften Behandlung in der Klinik der Beklagten auf Schmerzensgeld (mindestens 250.000,00 €) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden in Anspruch.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das OLG in

einem Hinweisbeschluss angeregt. Demgegenüber besteht der Kläger auf Durchführung der Berufungsverhandlung.

 

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG hat die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Die Voraussetzungen einer Zurückweisung im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO lägen vor. Die Auffassung des Klägers, die Beschlusszurückweisung sei nur „einfachst gelagerten Rechtssachen“ vorbehalten, teile der Senat nicht und finde auch in der Gesetzesbegründung keine Stütze. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung sei insbesondere auch nicht aus sonstigen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO):

 

„Eine mündliche Verhandlung ist nicht allein deshalb geboten, weil es sich um eine Arzthaftungssache handelt. Ein Vorbehalt dahingehend, dass in Arzthaftungssachen grundsätzlich von § 522 Abs. 2 ZPO kein Gebrauch zu machen ist oder stets mündlich zu verhandeln ist, findet sich im Gesetz nicht. Auch den Gesetzesmaterialien ist ein solcher Hinweis nicht zu entnehmen […]. Dem Senat ist durchaus bewusst, dass der vorliegende Rechtsstreit für den Kläger von erheblicher (wenn auch nicht „existenzieller“) Bedeutung ist. Er sieht jedoch angesichts der mangelnden Erfolgsaussichten der Berufung - auch unter dem Gesichtspunkt der dadurch anfallenden zusätzlichen und bei dem zugrundeliegenden Streitwert erheblichen Kosten - keinen Sinn in der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der lediglich die Anträge gestellt und die bereits bekannten Rechtsansichten ausgetauscht werden. Auch der Kläger legt nicht dar, welcher zusätzliche Erkenntnisgewinn von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erwarten wäre.

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04.05.2023

Informationen

OLG Brandenburg
Urteil/Beschluss vom 22.09.2022
Aktenzeichen: 12 U 63/22

Fachlich verantwortlich

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