Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Auswahl und Abschluss der Sachverständigen-Begutachtung – 2. Auseinandersetzung mit dem vorgelegten Gutachten / c. Eigene wissenschaftliche Auseinandersetzung bei Verweis des Sachverständigen auf andere Gutachten?

Eigene wissenschaftliche Auseinandersetzung bei Verweis des Sachverständigen auf andere Gutachten?

    

Setzt sich der Gutachter nicht hinlänglich kritisch mit Vorgutachten auseinander, wird dies allerdings selten seine Ablehnung aus Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, jedenfalls nicht dann, wenn der Sachverständige sich – wie im folgenden Fall – dessen Einschätzung anschließt. Denn beschränkt sich ein Gutachten auf Zustimmung und Anschließen, liegt hierin gleichwohl eine wissenschaftliche Einschätzung, die dem Gutachtenauftrag noch gerecht werden kann.

      

Der Fall :

Die Kl. begehrt von der Bekl., einer Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung ihres rechten Fußes. Für den medizinischen Dienst hat der Gutachter Dr. S am 10.12.2018 ein fachärztliches Gutachten erstellt und keine Behandlungsfehler festgestellt, das Landgericht hat den Sachverständigen Prof. Dr. D beauftragt, der die Kl. untersucht und in seinem Gutachten ebenfalls keinen Behandlungsfehler festgestellt hat. Noch vor Ablauf der Stellungnahmefrist hat die Kl. den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie beanstandet im Wesentlichen, dass der Sachverständige unkritisch die Ergebnisse des Vorgutachters Dr. S übernommen habe, anstatt seine Meinung selbst wissenschaftlich und sachlich begründet zu haben. Diese methodischen Mängel ließen auf eine voreingenommene Einstellung gegenüber der Kl. schließen.

  

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG wies das Gesuch zurück. Die Kl. rüge der Sache nach ausschließlich inhaltliche Mängel des Gutachtens. Der Umstand, dass er häufig auf die Ausführungen des Gutachters Dr. S verweise, rechtfertige aber nicht den Schluss, dass der Sachverständige sich keine eigene Meinung gebildet hat: „Damit bringt er vielmehr lediglich zum Ausdruck, dass er dem Gutachter Dr. S zustimmt und dessen Auffassung teilt. Entgegen der Auffassung der Kl. hat der Sachverständige Prof. Dr. D die Stellungnahmen des Dr. S nicht lediglich kritiklos übernommen. Vielmehr hat er eine eigene Bewertung durchgeführt und ergänzend auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S verwiesen.“ Auch die weiteren Fragen des Gerichtes habe er eigenständig beantwortet. Entgegen der Auffassung der Kl. begründe der Umstand, dass der Sachverständige nicht dargelegt hat, was für den Vorgutachter spreche und was gegen ihn, aus Sicht einer vernünftigen Partei keine Besorgnis der Befangenheit: „Wenn der Sachverständige derselben Meinung wie der Vorgutachter Dr. S ist, gibt es keinen Raum für die Ausbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Meinungen, die gegen diesen Standpunkt sprechen. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D deuten weder auf mangelnde Sorgfalt noch auf fehlendes Interesse hin, sich der Sache engagiert zu widmen.“

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22.02.2023

Informationen

OLG Dresden
Urteil/Beschluss vom 31.01.2022
Aktenzeichen: 4 W 19/22

Fachlich verantwortlich

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