Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe
Wie vielschichtig das Arzthaftungsrecht beherrscht sein will, um Erfolg zu kommen, wird dem Einsteiger bereits deutlich, wenn er sich dem materiellen Recht zuwendet, das anders als in manch anderem Rechtsgebiet bereits gespickt ist mit Darlegungs- und Beweislastfragen, mit denen Erfolgschancen je nach materiellrechtlicher Einordnung der im Streit stehenden Behandlung geradezu scharnierartig die Chancen vor Gericht steigen und fallen. Dem Kl. kommen dabei seit jeher moderate Substantiierungsanforderungen zugute, die ihn unter Hinweis auf seinen Laienstatus erheblich begünstigen, faktisch weitaus mehr als in manch anderem (z.B. technischen) Bereich. Welcher Mindestvortrag aber ist zu leisten, wenn der Kl. zunächst nur PKH beantragt, das Gericht also gehalten ist, Erfolgschancen zu prüfen, die es angesichts auch seines Laienstatus selten überhaupt angemessen einschätzen kann? Dass es auf außergerichtliche Gutachten zurückgreifen darf, gilt als ausgemacht. Welche Anforderungen darf es dann aber an den Klagevortrag stellen, ohne das Gebot effektiven Rechtsschutzes zu beschneiden?
b) PKH bei Rückschluss von Schaden auf Fehler?
Erst recht wenig Chancen hat ein Kl., der - aus Sicht des Gerichts - von einem eingetretenen Schaden auf einen ärztlichen Fehler schließt. Was sich so zumindest im Anwendungsbereich von § 630h Abs. 1 BGB kaum ohne Einschränkung sagen lässt, wird aber auch im übrigen Haftungsbereich nicht selten zu einer schwierigen Abgrenzung, da auch hier der Laienstatus des Kl. notwendig auf Rückschlüsse angewiesen ist, auch wenn der Misserfolg einer ärztlichen Behandlung mit Fehlern des Arztes naturgemäß nicht gleichzusetzen ist.
Der Fall:
Die Ast. begehrt die Bewilligung von PKH für eine Klage, mit der sie beabsichtigt, den beklagten Krankenhausträger wegen einer fehlerhaften Behandlung im März 2015 auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Die Ast. suchte erstmals die dortige Sprechstunde im August 2014 auf, weil sie unter Schmerzen im linken Schultergelenk litt. Nach einer CT-Untersuchung und Röntgenaufnahmen wurden degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule sowie Verkalkungen an der Rotatorenmanschette festgestellt und der Ast. eine Arthroskopie des Schultergelenks angeboten. In den Krankenunterlagen findet sich ein von der Ast. unterzeichneter Aufklärungsbogen. Die Arthroskopie wurde durchgeführt, eine zweite Arthroskopie im Folgejahr am 18. März 2015.
Die Ast. leidet weiterhin unter Schmerzen im Schulterbereich und behauptet, dass die Operation im Jahre 2015 notwendig geworden sei, um die nach dem Eingriff im Jahre 2014 entstandenen Probleme zu beseitigen. Die Operation im Jahre 2014 sei durch einen sehr jungen Arzt durchgeführt worden. Es seien Schäden in der Schulter entstanden. Auch eine Rehabilitationsmaßnahme in einer Schmerzklinik habe zu keiner Besserung geführt.
Vor der ersten Arthroskopie sei sie zwar über Risiken informiert worden, nicht aber vor der zweiten Operation am 18. März 2015. Hätte sie um das Risiko des Schmerzsyndroms und der Taubheitsgefühle gewusst, hätte sie die Operation nicht durchführen lassen. Sie leide nach der zweiten Operation unter Schmerzen in der linken Schulter, einer Verkürzung des linken Arms um jedenfalls 0,8 cm, Schmerzen in der Nacken-Schulter-Muskulatur, einer Parese am Oberschenkel des rechten Beines und Taubheitsgefühlen im gesamten Arm.
Das LG wies den PKH-Antrag zurück. Der Vortrag sei bereits widersprüchlich, so führe die Ast. an, vor der Operation im Jahre 2015 keine Schmerzen gehabt zu haben, obwohl dies ausweislich des von ihr eingereichten Befundbericht vom 26. August 2014 der Fall gewesen sei, und zwar sowohl vor und nach der ersten Operation als auch nach der zweiten. Hinsichtlich der behaupteten Verkürzung des linken Armes fehle Vortrag dazu, wann und vom wem dies festgestellt worden sei, Morbus Sudeck sei eine spezifische Erkrankung, die nur von einem Arzt festgestellt werden könne, eine Parese des Oberschenkels sei eine eigene Erkrankung, die Ast. trage nicht zu einem Zusammenhang zu der stattgehabten Behandlung vor. Unzureichende Erfahrung eines Operateurs stelle keinen Behandlungsfehler dar. Eine erneute Risikoaufklärung vor dem zweiten Eingriff werde durch die Aufklärung vor der ersten, gleichartigen Operation entbehrlich.
Die Entscheidung des Gerichts:
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Es werde bereits nicht hinreichend deutlich, welches Verhalten der Ag. nach dem Vorbringen der Ast. fehlerhaft gewesen sein solle: „Zwar sind im Arzthaftungsprozess an die Substantiierungspflicht eines klagenden Patienten nur maßvolle Anforderungen zu stellen […]. Der Vortrag des Patienten muss jedoch mindestens in groben Zügen erkennen lassen, welches ärztliche Verhalten fehlerhaft gewesen und welcher Schaden hieraus entstanden sein soll […]. So wird hier bereits nicht deutlich, ob die Ast. Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen einer vermeintlich fehlerhaften Operation im September 2014 oder der Nachoperation im März 2015, an anderer Stelle geht die Ast. von einer Nachoperation im August 2015 aus, geltend machen will. Allein aus den Folgen der Operationen kann der Schluss auf eine fehlerhafte Behandlung nicht gezogen werden. Einen konkreten Behandlungsfehler legt die Ast. allerdings weder für die Operation im Jahre 2014 noch im Jahre 2015 dar. Auch behauptet sie nicht, dass die Operationen dem ärztlichen Standard widersprechend durchgeführt worden seien. Der pauschale Hinweis auf die Durchführung der Voroperation durch einen „sehr jungen Arzt“ ersetzt keinen entsprechenden Vortrag“.
Der in der Beschwerdeinstanz geänderte Vortrag der Ast., die Operation am 18. März 2015 sei wegen eines Hitzestaus erforderlich geworden, gebiete keine andere Entscheidung: „Für das Vorliegen eines Hitzestaus bieten die Behandlungsunterlagen keine Anhaltspunkte. So ist festgehalten, dass sich die Ast. im Kreiskrankenhaus P... wegen exazerbierter Schulterschmerzen links vorgestellt habe. Die Krankenhausbehandlung wurde verordnet wegen einer primären Arthrose in der linken Schulter und Luxation des Schulterreckgelenks. Im Übrigen wird auch weiterhin keine fehlerhafte ärztliche Behandlung behauptet. Das Ausbleiben des Erfolges einer ärztlichen Behandlung genügt wiederum nicht.“
Auch mit dem Einwand der fehlenden Aufklärung vermöge die Ast. nicht durchzudringen: „Denn selbst wenn vor der Operation am 18. März 2015 eine Aufklärung der Ast. unterblieben sein sollte, greift der Einwand der fehlerhaften Aufklärung nicht durch. Die Ast. hat nach den vorliegenden Unterlagen zunächst einmal in den Eingriff vom 18. März 2015 eingewilligt. In den durch die Ast. eingereichten Behandlungsunterlagen findet sich eine von ihr am 17. März 2015 unterschriebene Einwilligungserklärung. Die Einwilligung ist auch wirksam. Zwar bedarf es für die Wirksamkeit einer Einwilligungserklärung zuvor einer Aufklärung des Patienten. Eine Aufklärung des Patienten ist aber nur erforderlich, wenn er auch noch aufklärungsbedürftig ist, weil er nicht über das erforderliche Wissen verfügt […]. Über bekannte Risiken - seien sie allgemein oder gerade dem individuellen Patienten bekannt - ist eine Aufklärung entbehrlich.“
Es finde sich aber ein von der Ast. unterzeichneter Aufklärungsbogen mit einer umfassenden Aufklärung für die Operation im September 2014 in den Behandlungsunterlagen. Als Risiken würden ausdrücklich Taubheitsgefühle und Schmerzen (Sudeck-Syndrom) aufgeführt. Diese Aufklärung greife die Ast. nicht an: „Zwar trägt sie einerseits vor, dass sie zum Zeitpunkt der Aufklärung bereits „betäubt“ gewesen sei, dagegen ergibt sich aber aus den Behandlungsunterlagen, dass ein Aufklärungsgespräch am 26. August 2014 durchgeführt wurde, während die Operation am 2. September 2014 stattfand. Im weiteren Vortrag wendet die Ast. gegen die Aufklärung vor der ersten Operation auch nichts ein, sondern trägt ausdrücklich vor, dass sie vor der Behandlung am „19. August 2014“ über den Ablauf der Operation und deren Risiken informiert wurde. Eine einmal sachgerecht erfolgte Aufklärung entfaltet aber für weitere gleichartige Behandlungen Dauerwirkung“.
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