Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe
Geradezu als Schulbeispiel wird bereits dem angehenden Juristen im Studium die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag am Beispiel des Behandlungsvertrags verdeutlicht. Der Arzt kann den Behandlungserfolg nicht zusagen und schuldet daher – und deshalb im Rahmen eines Dienstvertrags – lediglich eine auf die Herbeiführung des Erfolgs gerichtete Leistung, nicht aber den Erfolg selbst.
Fehlt es für das Behandlungsverhältnis damit an einem erfolgsbezogenen Leistungsstörungsrecht, wird der Patient freilich kaum einsehen, dass der Arzt auch im Fall von – jedenfalls schwerwiegenden – Fehlern sein Honorar erhält. Was für die KV seit der jüngeren Rechtsprechung des BSG selbstverständlich zu werden scheint (vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 12.11.2013 – B 1 KR 22/12 R; vom 19.3.2020 – B 1 KR 20/19 R; vom 7.3.2023 – B 1 KR 3/22 R), wird für die Vertragshaftung freilich zum Problem: wie kann der Arzt trotz fehlender Erfolgsschuld seinen Honoraranspruch wegen Schlechtleistung verlieren?
Der BGH löst die Frage für den Behandlungsfehler seit jeher über das dienstvertragliche Kündigungsrecht.
Danach kann der Patient den Vertrag als Dienstvertrag über Dienste höherer Art zwar jederzeit kündigen. Da das Kündigungsrecht während der Behandlung jedoch ein Rücktrittsrecht nach Teilleistung ersetzt, ist es unter Heranziehung von § 323 V BGB nach § 627 BGB ausgeschlossen, wenn eine nur unerhebliche (geringfügige) Pflichtverletzung vorliegt, und setzt der Honorarverlust des Arztes im Übrigen voraus, dass die erbrachte Leistung für den Patienten ohne Interesse ist.
Was sich für den Bereich der Behandlungsfehler etabliert hat, stößt bei Aufklärungsfehlern freilich auf eigenständige Grenzen: muss der Arzt seinen Honoraranspruch hier nicht notwendig ganz verlieren, weil der Einwilligungsmangel die gesamte Behandlung erfasst, die deshalb anerkanntermaßen rechtswidrig ist? Und dies gar ohne jede körperlichen Schaden, da mit der Aufklärung des Patienten neben dessen körperlicher Integrität – auch, aber dem Sinn nach vor allem – dessen Selbstbestimmungsrecht tangiert wird? Obwohl dies bei der Haftung für Aufklärungsfehler (von Fällen fehlerhafter Grundaufklärung einmal abgesehen) gerade nicht der Fall ist?
Das OLG Dresden hat sich in jüngerer Zeit gleich zwei Mal dieser Frage genähert, die sich in eine weiterhin streitige und zudem rare obergerichtliche Rechtsprechung einreiht, die in groben Zügen hier deshalb nachgezeichnet werden soll.
Honorarverlust nach Stent-Implantation?
Typischerweise stellt sich die angeschnittene Frage im Bereich der Zahnmedizin, in der – jedenfalls was die Zahntechnik betrifft – die Schnittstelle zum Werkvertragsrecht ohnehin eng ist, in der sich aber auch rein tatsächlich am ehesten (insbesondere bei der Zahnprothetik) eine Nachbesserungssituation und entsprechend Nachbesserungsansprüche ebenso wie -rechte vorstellen lassen. Umso bemerkenswerter ist es daher, wenn sich das OLG die Frage des Honorarverlustes im folgenden Fall im Bereich der inneren Medizin stellt – und dies zudem gleich in doppelter Hinsicht, also im Hinblick sowohl auf Behandlungs- wie Aufklärungsfehler des Arztes.
Der Fall:
Die Kl. verlangt von dem Bekl. Honorar für eine operative Stentimplantation. Der Bekl. litt unter einem abdominellem Aneurysma (38mm) der äußeren Beckenarterie. In der Operation vom 8.3.2017 wurde gleichzeitig ein Bauchaorten-Aneurysmas mitversorgt. Der Bekl. verweigert die Zahlung wegen Behandlungsfehler und mangels hinlänglicher Aufklärung über Behandlungsalternativen.
Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass das Risiko einer Aneurysma-Ruptur bei der äußerer Beckenarterie ab 30mm bei ca. 68% liege, die Mitversorgung des Bauchaorten-Aneurysma hingegen nur relativ indiziert gewesen sei.
Das LG gibt der Klage statt; mit seiner Berufung hält der Bekl. v.a. am Vorwurf eines Aufklärungsfehlers fest.
Die Entscheidung des Gerichts:
Das OLG wies die Berufung zurück, wobei es zwischen einer kündigungs- und schadensrechtlichen Perspektive unterschied:
1. Die Vergütungspflicht sei nicht nach § 628 BGB entfallen:
„Wenn der Arzt durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Patienten veranlasst hat, steht ihm kein Vergütungsanspruch zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Patienten kein Interesse mehr haben. Das Interesse des Patienten an der Leistung des Arztes ist nur weggefallen, soweit der Patient die Arbeiten des Arztes nicht mehr wirtschaftlich verwerten konnte, sie also nutzlos geworden waren […]. Ist die fehlerhafte Leistung des Arztes für den Patienten ohne Interesse und völlig unbrauchbar, besteht der Mindestschaden des Patienten unmittelbar darin, dass er für ein im Ergebnis unbrauchbare ärztliche Behandlung eine Vergütung zahlen soll. In diesem Fall ist der Schadensersatzanspruch unmittelbar auf Befreiung von einer Vergütungspflicht gerichtet, wenn weder der Patient noch seine Versicherung bereits bezahlt haben […].
Im vorliegenden Fall hat der Bekl. aber weder den Behandlungsvertrag mit der Kl. vorzeitig gekündigt noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Leistungen für ihn völlig wertlos gewesen sind. Die Operation vom 8.3.2017 war jedenfalls schon wegen des Aneurysmas der Arteria iliaca externa indiziert. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Behandlungsindikation für das Aneurysma der Arteria iliaca externa mit 38 mm Größe begründet gewesen sei. Im Rahmen von seriellen Nachuntersuchungen habe gezeigt werden können, dass 68 % der iliacalen Aneurysma ab 30 mm rupturieren. Dies sei mit einer sehr hohen Mortalität verbunden […]. Für das Bauchaortenaneurysma liege nur eine relative Indikation vor. Insgesamt hielt der Sachverständige aber die Mitversorgung des abdominellen Aortenaneurysmas für leitliniengerecht.“
2. Die Vergütungspflicht sei aber auch nicht durch Aufrechnung mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen gemäß §§ 630 a ff., 280, 253 BGB entfallen:
„Ein Schmerzensgeldanspruch ist nicht schlüssig dargelegt worden, materielle Schäden sind nicht einmal behauptet worden. Es ist nicht ersichtlich, welche Schäden beim Bekl. durch welche Pflichtverletzung entstanden sein sollen. Schmerzen und Beeinträchtigungen wurden nicht vorgetragen. Soweit sich der Bekl. auf Aufklärungsfehler stützt, vermögen diese – auch unabhängig vom Vorliegen eines Aufklärungsfehlers – keinen Schmerzensgeldanspruch zu begründen. Für die Haftung wegen eines Aufklärungsmangels genügt es nicht, dass aufgrund der fehlerhaften Aufklärung keine wirksame Einwilligung vorliegt. Hinzukommen muss, dass die ohne Einwilligung durchgeführte Heilbehandlung für den geltend gemachten Gesundheitsschaden ursächlich geworden ist […]. Die Beweislast, dass ein Schaden durch eine Behandlung eingetreten ist, der keine ordnungsgemäße Aufklärung zugrunde liegt, obliegt dem Patienten, es gilt das Beweismaß des § 286 ZPO […]. Dafür ist nichts ersichtlich.“
Ein Schmerzensgeldanspruch könne bei dieser Sachlage auch nicht darauf gestützt werden, dass der Eingriff infolge einer unzureichenden Aufklärung rechtswidrig war:
„Angesichts der hier vorliegenden Umstände ist nämlich davon auszugehen, dass zumindest für die Versorgung des Beckenbodenaneurysmas eine zwingende Indikation bestand, die in jedem Fall zu einer Operation geführt hätte; dass durch die damit einhergehende Mitversorgung des abdominellen Aortenaneurysmas dem Kl. ein Schaden oberhalb der Bagatellgrenze entstanden ist, hält der Senat für ausgeschlossen. Allein wegen der in einem Eingriff ohne wirksame Aufklärung liegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Form des Selbstbestimmungsrechts des Patienten kommt jedoch nach allgemeiner Auffassung die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nicht in Betracht.“
OLG Dresden, Beschluss vom 04.012024 – 4 U 1279/23.
2. Honorarverlust bei fehlerhafter Risikoaufklärung im Zuge eines augenärztlichen Eingriffs?
Noch gezielter auf die Frage eines Honorarverlusts bei fehlerhafter Risikoaufklärung schaute das OLG im folgenden Fall.
Der Fall:
Die Kl. beansprucht restliches Honorar für einen refraktiven Linsenaustausch bei der Bekl. Dieser verlangt widerklagend Rückzahlung bereits gezahlten Honorars und Schmerzensgeld. Die Risikoaufklärung der Kl. sei fehlerhaft gewesen. Nun sei sie bei ihrer Berufsausübung als Kosmetikerin dauerhaft auf das Tragen einer Brille angewiesen und habe zudem Sehprobleme beim Autofahren in Dämmerung und Dunkelheit.
Die Entscheidung des Gerichts:
Auch hier wies das OLG die Berufung der Bekl. gegen das stattgebende Urteil des LG zurück und bestätigte damit den Zahlungsanspruch der Kl. Das Landgericht habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass der Kl. bei der streitgegenständlichen Augenoperation eine schuldhafte Fehlleistung infolge einer Verletzung von Aufklärungspflichten zu Last falle, auf die sich die Bekl. zur Begründung der von ihr geltend gemachten Gegenansprüche allein stütze:
„Die Augenoperationen vom 18. und 20.2.2020, bei denen die Linsen zur Behandlung der starken Kurzsichtigkeit der Kl. ausgetauscht wurden, waren medizinisch nicht zwingend geboten. Sie unterliegen als kosmetische Operationen daher einer erweiterten Aufklärungspflicht. Eine umfassende Risikoaufklärung, die auf eine zusammenfassende Darstellung der Risiken ‚im Großen und Ganzen‘ beschränkt ist, reicht deshalb nicht aus; hier gehört es vielmehr zur besonderen Verantwortung des Arztes, seinem Patienten das Für und Wider mit allen Konsequenzen deutlich vor Augen zu stellen […].
An den dem Arzt obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten dürfen keine unbillig hohen Anforderungen gestellt werden. Dabei kann die ständige Übung und Handhabung der Aufklärung ein wichtiges Indiz für eine Aufklärung des Patienten auch im Einzelfall darstellen […]. Auch sollte dann, wenn einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht ist, dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist […].”
Ausgehend von diesen Grundsätzen habe das Landgericht unter zutreffender Würdigung der Angaben der Bekl. und einer die Überzeugung gewonnen, dass die seitens der Kl. durchgeführte Aufklärung der Bekl. in einem anhand eines Aufklärungsbogens geführten Gespräch den dargestellten erhöhten Anforderungen gerecht geworden sei. Dass sich die Erwartungen der Bekl. hinsichtlich des Operationsergebnisses letztlich nicht erfüllt hätten, da sie dauerhaft eine Brille auch für Tätigkeiten bzw. Arbeiten im Nahbereich und für Autofahrten in der Dunkelheit brauche, lasse die Ordnungsgemäßheit der umfassenden Risikoaufklärung nicht entfallen.
OLG Dresden 04.03.2024 – 4 U 1796/23.
3. Die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung
Beiden vorgenannten Entscheidungen ist eigen, dass sie sich einer näheren Betrachtung der Voraussetzungen und jeweiligen Konsequenzen eines Honorarverlusts bei Aufklärungsfehler entziehen, obwohl sie in diesem Punkt höchstrichterlich ungeklärt und in der oberichtlichen Rechtsprechung überdies unterschiedlich eingschätzt wird. Insoweit werden v.a. folgende Positionen vertreten:
a) Gänzlicher Honorarverlust?
Ein denkbar strikter Standpunkt geht dahin, bei einem Aufklärungsfehler bereits die Eingehung des (weiteren) Behandlungsvertrags als Schaden zu betrachten und auf dieser Grundlage einen vollständigen Honorarverlust anzunehmen. Das geht sehr weit und setzt sich zudem mit der besonderen Schadenskategorie des Vertragsschlusses nicht weiter auseinander. So aber – teils ohne jegliche Begründung –:
OLG Düsseldorf 20.03.2003, 8 U 18/02 Rn. 34:
„Das Landgericht hat den Bekl. zu Recht zur Erstattung des an ihn gezahlten Behandlungshonorars von insgesamt 8.000 DM (= 4.090,34 EUR) verurteilt. Die Behandlung des Bekl. erfolgte - wie dargestellt - mangels hinreichender Aufklärung der Kl. rechtswidrig. Die Kl. hat im übrigen plausibel vorgetragen, dass sie bei Kenntnis der Tatsache, dass alleine eine Liposuktion bei ihr nicht geeignet war, eine kosmetische Verbesserung zu erreichen, diesen Eingriff von dem Bekl. nicht hätte durchführen lassen. Der Bekl. ist daher verpflichtet, die Kl. so zu stellen, als wäre die Behandlung durch ihn nicht erfolgt.“
OLG Saarbrücken 21.04.1999, 1 U 615/98 Rn. 8 ff.:
„Die unterlassene Aufklärung über das Fehlen der Zulassung der "Surgibone"-Dübel führt zur Unwirksamkeit der Zustimmung des Kl. zur Vornahme der Operation und damit zu deren Rechtswidrigkeit. Das Unterlassen dieser Aufklärung und die rechtswidrige Vornahme der Operation sind weiterhin rechtlich als positive Verletzung des Behandlungsvertrages zu werten, den der Kl. mit dem Bekl. abgeschlossen hat und dies hat zur Folge, dass der Bekl. zur Erstattung des ihm für die Behandlung gezahlten Honorars verpflichtet ist.
Dem steht nicht entgegen, dass der mit einem Arzt abgeschlossene Behandlungsvertrag als Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff.BGB zu qualifizieren ist […] und dass der Dienstverpflichtete grundsätzlich den Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung auch dann behält, wenn seine Tätigkeit nicht den bezweckten Erfolg zeigt. Die Rechtsprechung und die rechtswissenschaftliche Literatur stimmen weitgehend darin überein, dass dem Patienten im Falle schuldhafter Schlechtleistung des behandelnden Arztes ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung erwächst, der zur Befreiung von der Honorarverbindlichkeit führt. Ob dieses Ergebnis rechtskonstruktiv in der Weise zu begründen ist, dass ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch bejaht […], eine begründete "dolo-petit"-Einrede nach § 242 BGB angenommen […], dem Patienten die (dauerhafte) Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB an die Hand gegeben […] oder ein inhaltlich auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch zuerkannt wird […] mag dahinstehen, wobei angemerkt sein soll, dass der Senat der letztgenannten Auffassung zuneigt. Entscheidend ist, dass im Ergebnis weitgehend Übereinstimmung darin besteht, dass dem Arzt in den Fällen einer Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages, die qualitativ dessen Nichterfüllung gleichkommt, kein Honoraranspruch zusteht und ein ihm bereits gezahltes Honorar zurückgefordert werden kann […].
Nichts anderes gilt dann, wenn der Arzt es wie im vorliegenden Fall schuldhaft versäumt hat, den Patienten hinreichend über die Behandlung aufzuklären, dieser sich deshalb der Behandlung unterzog und letztere nicht den erstrebten Erfolg zeigte […]. Dabei ist anzumerken, dass ein Verschulden des Bekl. im Hinblick darauf zu bejahen ist, dass er bei Aufbringung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können, das die "Surgibone"-Dübel vom Bundesgesundheitsamt als Arzneimittel nicht zugelassen waren.
Das schuldhafte Unterlassen der gebotenen Aufklärung und die Ausführung der somit eigenmächtigen, rechtswidrigen Behandlung erfüllen den Tatbestand der positiven Vertragsverletzung und verpflichten den Bekl. zum Ausgleich aller hieraus resultierenden Vermögensnachteile. Hierzu zählen auch die eingegangene Honorarzahlungsverpflichtung sowie die im Hinblick auf diese geleistete Zahlung.
Aus den dargestellten Gründen ist ferner davon auszugehen, dass der in Rede stehende Honoraranspruch von dem Bekl. "nicht verdient" wurde […], weil eine als rechtswidrige Körperverletzung zu wertende eigenmächtige Therapie nicht als die geschuldete Behandlungsleistung angesehen werden kann und daher nicht honorarpflichtig ist. Dies führt dazu, dass der Rückzahlungsanspruch des Kl. auch in Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu bejahen ist, zumal das Vertragsverhältnis der Parteien beendet und eine ordnungsgemäße Behandlung der in Rede stehenden Art, für die der Kl. Zahlung geleistet hat, nicht mehr nachholbar ist.“
b) Honorarverlust je nach verbleibendem Interesse an der Leistung?
Die Annahme gänzlichen Honorarverlusts läuft in seiner Konsequenz darauf hinaus, dem Arzt selbst dann seinen Honoraranspruch abzusprechen, wenn der Patient trotz Aufklärungsfehlers gesundheitlich mit Erfolg behandelt wurde. Das aber ist mit der Rspr. des BGH schwerlich vereinbar, der für eine Haftung wegen Aufklärungsfehlers notwendig das Vorliegen eines körperlichen Schadens fordert (vgl. BGH 27.05.2008, VI ZR 69/07). Um dies zu vermeiden, macht die Gegenposition den Honorarverlust denn auch bei Aufklärungsfehlern von einem Interesseverlust an der erbrachten ärztlichen Leistung abhängig:
OLG Nürnberg 08.02.2008, 5 U 1795/05 Rn. 25 ff.:
„Die Überlegungen zu den Auswirkungen eines Behandlungsfehlers auf den ärztlichen Honoraranspruch können zwar nicht ohne weiteres auf einen Aufklärungsfehler übertragen werden […]. Denn hier besteht zumindest die Möglichkeit, dass schon der Abschluss des auf den Eingriff bezogenen Arztvertrages als Schaden anzusehen ist, von dem der Patient zu befreien wäre, weil es zu ihm nur wegen der unzureichenden Aufklärung kam. Insoweit bedürfte es weder einer Bezifferung noch einer Aufrechnungserklärung seitens des Patienten.
Nach richtiger Auffassung entfällt der Honoraranspruch aber auch bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht nur dann, wenn die ärztliche Dienstleistung unbrauchbar war […].
Der Patient hat in solchen Fällen zwar regelmäßig einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des bereits vor der Entscheidung über den Eingriff zustande gekommenen Arztvertrages […]. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man unterstellt, der Patient hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen den Eingriff entschieden.
Solange der angestrebte Heilerfolg eingetreten ist, fehlt es jedoch an einem materiellen Schaden des Patienten. Sein Vermögen wird zwar wegen des Aufklärungsmangels zu Unrecht mit dem Honoraranspruch belastet; diese Belastung steht aber der Wert der vom Arzt, hier vom Zeugen Prof. Dr...., ausgeführten Behandlung gegenüber. Da auch die Bekl. nicht behaupten, dass diese Behandlung völlig erfolglos geblieben wäre und die den Anlass der Operation bildenden Miktionsbeschwerden auch nach der Operation fortbestanden hätten, kam dem Bekl. zu 1) letztlich der Wert der Operation zugute. Er mag wegen der mit dem Eingriff verbundenen Komplikationen Ansprüche auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens haben. Da er solche Forderungen nicht in der vorgesehenen Form geltend macht, muss er das eingeklagte Arzthonorar ebenso bezahlen wie die sonstigen Kosten seines Aufenthalts bei der Kl.“.
OLG Stuttgart 17.04.2001, 14 U 74/00 Rn. 44 f.:
„Da sich die Leistung des Bekl. Ziff. 1 als für die Kl. unbrauchbar […] herausstellte, hat sie auch Anspruch auf Rückzahlung des Honorars in Höhe von 14.156,61 DM. Dass die Leistung des Bekl. Ziff. 1 unbrauchbar war, bedarf nach allem keiner näheren Darlegung mehr.
Es kann dahingestellt bleiben, ob dann, wenn ein vorgenommener ärztlicher Eingriff mangels wirksamer Einwilligung sich als rechtswidrig darstellt, der Eingriff als solcher aber ärztlichem Standard entsprach, die unzureichende Aufklärung nicht zu einem Honorarverlust führt“.
OLG Köln 09.12.1998, 5 U 147/97 Rn. 16:
„Die Widerklage ist begründet, weil die oben festgestellte unzureichende Aufklärung nicht zum Honorarverlust führt. Der Vergütungsanspruch des Arztes entfällt wegen Schlechterfüllung des Dienstvertrages (Verletzung der Aufklärungspflicht) zwar, wenn die Dienstleistung wegen unzureichender Bemühungen um den Heilerfolg unbrauchbar war […]; davon kann hier indessen - wie oben dargelegt - keine Rede sein.“
OLG Nürnberg 03.08.1994, 4 U 752/94:
„1. Der in der Höhe unbestrittene Honoraranspruch des Kl. folgt aus dem Behandlungsvertrag mit dem Bekl. vom 23. 7. 1986. Dieser Behandlungsvertrag ist jedoch entgegen der Auffassung des LG kein sogenannter gespaltener Krankenhausvertrag, bei dessen Vorliegen der Kl. nicht für eigene Rechnung, sondern prinzipiell auch haftungsrechtlich allein für sich tätig wird, sondern um einen Arztzusatzvertrag.
In aller Regel erwartet der Patient nämlich im Krankenhaus die vorhandenen und angebotenen ärztlichen Leistungen vom Krankenhausträger. Er sieht diesen prinzipiell mindestens neben den liquidationsberechtigten Ärzten als seinen Vertragsschuldner an, zumal er im Einzelfall schwer unterscheiden kann und will, wann es um ärztliche Leistungen des Chefarztes und wann es um Leistungen von Klinikärzten geht, die mit ihm nicht durch besonderen Vertrag verbunden sind. Deshalb ist sein auf Gewährung von Wahlleistungen gerichteter Antrag grundsätzlich dahin zu verstehen, daß er besondere ärztliche Leistungen hinzukaufen, nicht aber den Krankenhausträger aus der Verpflichtung entlassen will. Sollen hingegen Leistungen aus dem Vertrag mit dem Krankenhausträger völlig herausgenommen werden, so muß dies dem Patienten bei Vertragsschluß hinreichend verdeutlicht werden und klar zum Ausdruck kommen […]. Ein derartiger eindeutiger und klarer Wille des Krankenhausträgers, in keiner Weise Leistungsschuldner der ärztlichen Leistungen im Rahmen der stationären Behandlung zu sein, kommt aber weder in dem Vertrag auf Gewährung von Wahlleistungen noch in dem Behandlungsvertrag zwischen dem Kl. und dem Bekl. zum Ausdruck (wird ausgeführt).
2. Der Honoraranspruch des Kl. ist nicht wegen der vom Bekl. behaupteten mangelhaften Aufklärung vor der Operation und der im Rahmen der folgenden Behandlung geltendgemachten ärztlichen Fehlleistungen, auch wenn man diese sämtlich als richtig unterstellen würde, gem. § 242 BGB verwirkt. Der Verlust eines Honoraranspruchs durch Verletzung eigener Pflichten kommt nur bei besonders groben, in der Regel vorsätzlichen und strafbaren Pflichtverletzungen in Betracht […]. Die sich allenfalls im normalen Bereich der Fahrlässigkeit bewegende Verkennung des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht oder auch eine vom Bekl. behauptete Verantwortung für eine fehlerhafte Behandlung oder Pflege können im Wege der unzulässigen Rechtsausübung unter keinen Umständen den Honoraranspruch eines Arztes entfallen lassen. Die in der Höhe unstreitigen 36 541,60 DM standen dem Kl. daher zunächst zu. Sie sind aber, wie auszuführen sein wird, durch Aufrechnung des Bekl. mit Schadensersatzforderungen erloschen.“
Mehr aus diesem Rechtsgebiet lesen
Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe
Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe
Unten finden Sie eine Auswahl von Fortbildungen zum Rechtsgebiet Medizinrecht.
Alle Onlineseminare zu Medizinrecht finden Sie hier
Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung
Fragen und Antworten