Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Anforderungen an nicht indizierte kosmetischen Brust-OP

Ärztliche Aufklärungsfehler im Grenzbereich zwischen Indikation und Innovation

Das zweite Standbein: von Beginn an, wenn sich Behandlungsfehler nicht feststellen lassen, oder wenn der Sachverständige eine hierauf hinweisende Bemerkung macht, finden Aufklärungsfehler Eingang in mindestens jeden zweiten Arzthaftungsprozess. Einen speziellen Bereich bilden dabei Aufklärungsfehler im Grenzbereich zwischen Indikation und Innovation, wie ihn die folgenden Fälle betreffen.

 

Der Fall:

Die Klägerin verfolgt Schadensersatzansprüche aufgrund einer kosmetischen Brustoperation vom 27.07.2015, hinsichtlich derer sie im Berufungsverfahren an der von ihr gerügten fehlerhaften präoperativen Aufklärung über das Risiko eines sogenannten Bottoming-out festhält, also eines Herabrutschens der Brust-Implantate. Sie meint, sie hätte über dieses möglicherweise auftretende Phänomen konkret bzw. mittels entsprechender Prozentzahlen aufgeklärt werden müssen.

 

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG hat die Auffassung der Klägerin und damit ihre Berufung insgesamt zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BGH genüge es, dass der Patient „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufgeklärt und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werde. Dabei sei es nicht erforderlich, dem Patienten genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen. Nach diesen Maßgaben habe das Landgericht rechtsfehlerfrei eine hinreichende Aufklärung der Klägerin festgestellt:

 

„So musste sie nicht explizit über das Phänomen des Bottoming-Out aufgeklärt werden. Maßgeblich und aufklärungsrelevant ist vielmehr der Gesichtspunkt, welche klinischen Folgen konkret mit einem solchen Phänomen verbunden sind, nämlich eine Dislokation und ein Abrutschen des Implantats. Diese rechtliche Bewertung steht auch in Übereinstimmung mit den überzeugenden medizinischen Einschätzungen des gerichtlichen Sachverständigen. Hiernach muss im Rahmen der Aufklärung gesagt werden, dass es beim Implantat zur Dislokation kommen kann. Wenn einer Patientin gesagt wird, dass sich das Implantat verschieben kann, sich dadurch die Brustform verändern kann, es unschön aussieht und es zu Schmerzen kommen kann, dann ist sie über diesen Punkt hinreichend aufgeklärt. Da die Folgen nach einer Kapselfibrose als Risiko einer Implantation insoweit vergleichbar sind, ist nach den Angaben des Sachverständigen eine Patientin, die über die genannten Folgen im Rahmen des möglichen Auftretens einer Kapselfibrose aufgeklärt ist, auch über die vergleichbaren Folgen eines Bottoming-Out aufgeklärt. Die Nennung aller medizinischen Phänomene, die zu einem derartigen Absacken der Implantate führen können, ist insoweit auch aus Rechtsgründen nicht geboten.“

 

Soweit die Klägerin meine, dass das Risiko des Bottoming-Out höher sei als das einer Kapselfibrose und deshalb eine besondere Aufklärung erforderlich sei, sei das ausweislich des Sachverständigen schon wissenschaftlich unzutreffend. Maßgeblich bleibe aber auch, dass eine Patientin im Großen und Ganzen über das Risiko einer Dislokation und des Verrutschens der Implantate aufgeklärt werde, was hier jedoch geschehen sei. Soweit ein Verrutschen und eine Dislokation der Implantate erwähnt worden sei, sei hierin überdies schon sprachlogisch auch ein Verrutschen nach unten, also ein Absacken, enthalten.

 

Angesichts dessen, dass über den Begriff des Bottoming-Out nicht gesondert aufzuklären gewesen sei, komme es auf den Gesichtspunkt, wie sich die Klägerin im Falle einer expliziten Aufklärung hierüber verhalten hätte, nicht an. Abgesehen davon sei aber im Hinblick darauf, dass auch bei einem Bottoming-Out – dazu noch ungesicherte – Prozentzahlen nicht zu nennen gewesen wären, nicht ansatzweise von der Klägerin dargelegt, warum sie sich bei einer allgemeinen Aufklärung über das Risiko der Dislokation der Implantate hätte operieren lassen, nicht aber im Falle der Nennung des Risikos eines Bottoming-Out und einer damit verbundenen Dislokation.

 

 

 

  

 

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05.10.2023

Informationen

OLG Hamm
Urteil/Beschluss vom 17.10.2022
Aktenzeichen: 3 U 56/22

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