Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Übertragung von Vorarbeiten auf Gehilfen

Der medizinische Sachverständige

Er ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt eines jeden Arzthaftungs- (Personenschadens-) Prozesses. Und so umspannt ihn mittlerweile ein feines Netz an Kasuistik von seiner Bestellung über seine Gutachtenerstellung und -erstattung bis hin zu Vergütungsfragen. Die nachfolgenden aktuellen Entscheidungen reihen sich in diese Serie ein und präzisieren sie stellenweise erneut.

 

Einen immer wieder neuralgischen Punkt der Gutachtenerstattung bildet die Frage, inwieweit der Sachverständige befugt ist, zumindest Teile der Gutachtenbearbeitung auf Dritte zu übertragen, was tendenziell in Widerspruch zu seiner Pflicht der persönlichen Gutachtenerstellung gerät, allerdings auch im Wege der Ablehnung – wie der folgende Fall zeigt – selten erfolgreich gerügt werden kann.

 

Der Fall:

Der Kl. nimmt die Bekl. auf Schadenersatz aus behaupteten Behandlungsfehlern während seiner stationären Behandlung im Zeitraum vom 23.03. bis 03.05.2017 in Anspruch.

 

Das LG hat die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gem. § 358a ZPO angeordnet. Das Gutachten des herzchirurgischen Sachverständigen vom 12.09.2022 ist dem Kl. am 11.11.2022 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 17.11.2022 hat dieser beantragt, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Mitunterzeichnung des Gutachtens durch den Assistenzarzt belege, dass der Sachverständige die Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens nicht allein trage. Zudem sei wegen fehlender Angabe des Umfangs der übertragenen Tätigkeit davon auszugehen, dass das Gutachten gleichberechtigt gemeinsam erstellt oder gar überwiegend durch den Assistenzarzt erstellt worden sei, was auch durch die Fristüberschreitung indiziert werde.

 

Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Kl. sein Ablehnungsgesuch weiter.

 

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Besorgnis, der gerichtlich beauftragte Sachverständige könne wegen der Mitunterzeichnung des Gutachtens durch einen Assistenzarzt nicht unvoreingenommen sein, sei nicht gerechtfertigt. Das Gutachten sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der höchstpersönlichen Gutachtenerstellung nach § 407a Abs. 3 Satz 1 ZPO unverwertbar:

 

„Nach § 407 a Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Zuziehung von Gehilfen für unterstützende Dienste nach Weisung und unter Aufsicht des Sachverständigen erlaubt, solange die wissenschaftliche Auswertung der Arbeitsergebnisse durch den Sachverständigen selbst sichergestellt ist […]. Die Verpflichtung zur höchstpersönlichen Gutachtenerstattung schließt demnach weder aus, dass der Sachverständige - in einem seine Gesamtverantwortlichkeit nicht in Frage stellenden Umfang - Gehilfen hinzuzieht, noch ergeben sich hieraus allgemein gültige Regeln für den Einsatz solcher Mitarbeiter, so dass diesen auch wichtige Abschnitte der gutachterlichen Untersuchungen übertragen werden dürfen. Die Grenze ist erst dann überschritten, wenn der Sachverständige selbst die Arbeiten nicht mehr überschaut und auch die wissenschaftliche Auswertung und Gesamtbeurteilung der Ergebnisse dem Gehilfen überlässt oder dazu nicht mehr in der Lage ist […]. Einen Grundsatz, wonach der Sachverständige das Gutachten selbst zu diktieren oder gar höchstpersönlich schriftlich abzufassen habe, gibt es nicht“.

 

Vorliegend habe der Sachverständige mit Schreiben vom 10.03.2023 ausgeführt, der in seiner Klinik beschäftigte Assistenzarzt Dr. C. habe ihn bei der Erstellung des Gutachtens unterstützt. Er habe den Assistenzarzt bei der Gutachtenerstellung eingebunden, indem er ihm die Sichtung der Unterlagen und das Verfassen einer ersten Stellungnahme übertragen habe. Im Anschluss daran erfolge regelmäßig eine detaillierte Durchsprache des Falles mit Entscheidungsfindung. Der zu den Akten gelangte Gutachtentext sei vom Sachverständigen selbst erstellt worden und werde damit auch von ihm verantwortet. Lediglich als Nachweis der Gutachtertätigkeit für die Facharztweiterbildung lasse er den Assistenzarzt die Gutachten mit unterschreiben.

 

Nach diesen Angaben habe der Gerichtssachverständige die Gutachtenerstellung sowie die Gesamtbeurteilung des Sachverhalts und der Ergebnisse aufgrund eigener Prüfung selbst verantwortet im Sinne des § 407 a Abs. 2 Satz 2 ZPO. Bei den dem Assistenzarzt im Rahmen der Vorbereitung des Gutachtens übertragenen Aufgaben handele es sich dagegen um lediglich vorbereitende Hilfstätigkeiten, die der sachverständigen Pflicht zur höchstpersönlichen Gutachtenerstellung nicht entgegenstünden. Aus diesem Grund sei auch eine Befangenheit des Sachverständigen im Hinblick auf die Mitarbeit von Dr. C. zu verneinen.

 

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06.02.2024

Informationen

OLG Dresden
Urteil/Beschluss vom 17.04.2023
Aktenzeichen: 4 W 716/22

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