Dirk Both RiOLG
Möchte ein Geschädigter einen Schadensersatzanspruch geltend machen, für welchen mehrere Anspruchsgrundlagen gegenüber unterschiedlichen Personen in Betracht kommen, ist das Gericht in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der begehrte Anspruch gegen den gewählten Anspruchsgegner besteht. Der vorgetragene Sachverhalt ist unter die Anspruchsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Normen zu subsumieren und zu prüfen, ob auf diesem Wege das begehrte Ergebnis erreicht werden kann. Der BGH (Urt. v. 06.08.2025, VIII ZR 250/23, GE 2025, 1198) hatte einen Rechtsstreit gerade zu rücken, in welchem das Berufungsgericht die gute alte Subsumtionstechnik offenbar aus den Augen verloren und von sich aus zu prüfen befand, gegen welchen der in Betracht kommenden am Sachverhalt Beteiligten aufgrund welcher Norm welcher Anspruch in Betracht käme.
Der Ausgangspunkt des Falles ist denkbar einfach. Die Mieterin mietete von einem Wohnungseigentümer eine Wohnung. Das Haus, in welchem sich die Wohnung befand, war über eine Zuwegung zu erreichen, welche über das Gemeinschaftsgrundstück der Eigentümergemeinschaft verlief. Die Eigentümerin hatte ein Unternehmen u.A. mit dem Winterdienst auch für diese Zuwegung beauftragt. An einem Wintertag um 07.30 Uhr stürzte die Mieterin auf der Zuwegung aufgrund von Glatteises und verletzte sich, wofür sie den Vermieter in Anspruch nehmen wollte. Gerade gegen diesen vermochte das Berufungsgericht aber keinen Anspruch zu erblicken.
Der BGH hat in seiner Entscheidung den von der Mieterin begehrten Schadensersatzanspruch gegenüber dem Vermieter bejaht, wenn eine von ihm mit der Räum- und Streupflicht betraute Person die von ihr übernommene Vertragspflicht schuldhaft nicht erfüllt hat. Ausgangspunkt ist dabei, dass sich die dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht auch auf die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege erstreckt. Die Wege insbesondere vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum müssen sich in einem verkehrssicheren Zustand befinden und in den Wintermonaten geräumt und gestreut werden. Die Sicherung des unmittelbaren Zugangs zum Haus bei Schnee- und Eisglätte gehört zu den Aufgaben des Vermieters und dient vor allem dem Schutz der Mieter (BGH (Urt. v. 06.08.2025, VIII ZR 250/23, GE 2025, 1198; BGH, Urt. v. 22.01.20008, VI ZR 126/07). Diese Pflichten obliegen dem Vermieter auch dann, wenn er Mitglied einer Wohnungsgemeinschaft ist. Der Vermieter kann sich zur Erfüllung der ihn hinsichtlich der Beseitigung von Schnee und Eis treffenden vertraglichen Nebenpflichten aus dem Mietvertrag eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedienen, für dessen Verschulden er nach § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB wie für eigenes Verschulden rechtlich einzustehen hat (BGH (Urt. v. 06.08.2025, VIII ZR 250/23, GE 2025, 1198; BGH, Urt. v. 12.12.2012, XII ZR 6/12).
Zutreffend ist der BGH davon ausgegangen, dass der Vermieter seinerseits zunächst die Räum- und Streupflicht überlassen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dies durch Vertrag, eine Satzung oder gar Rechtsvorschriften des Wohnungseigentumsrecht erfolgt ist. Jede Form der Übertragung ändert nichts daran, dass der Vermieter als Vertragspartner des Mieters diesem gegenüber seine Vertragspflicht behält. Nimmt er zur Erfüllung Derselben einen anderen auf welcher Grundlage auch immer zur Hilfe, ist dieser sein Erfüllungsgehilfe, für welchen er gegenüber seinem Vertragspartner – hier also der Mieterin – über § 278 BGB haftet. Bedient sich der so Verpflichtete seinerseits eines Dritten, setzt sich die Kette der Erfüllungsgehilfen fort, an deren Spitze gegenüber dem Mieter jedoch der Vermieter bleibt. Der Vermieter muss dem Mieter gegenüber für jede schuldhafte Verletzung der übernommenenen Vertragspflicht durch den Dritten, dessen er sich bedient hat, einstehen. Seine Haftung beschränkt sich – anders als das LG Limburg meint – nicht auf eine korrekte Auswahl seines Gehilfen. Eine solche Beschränkung findet nur gegenüber dem Verrichtungsgehilfen bei einer unerlaubten Handlung statt, die einen Schadensersatzanspruch nach § 823 ff. BGB gegründet. Anspruchsgrundlage ist hier aber keine unerlaubte Handlung, sondern die Verletzung einer Vertragspflicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Vermieter nicht Eigentümer des Grundstückes ist, auf dem sich die Zuwegung befindet. Die Stellung als Vermieter zwingt nicht die Stellung auch als Eigentümer. Wer Vermieter ist, muss also nicht Eigentümer sein , und wer Eigentümer ist, wird nicht Vermieter. Das gerät leider immer wieder auch zweitexaminierten Juristen aus dem Blick.
Ob sich hierneben ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gegen die Eigentümergemeinschaft ergibt, war dagegen nicht Gegenstand der Klage.
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