Armin Preussler FA f. Bau- u. ArchitektenR und VergR

Begründung der Gesamtvergabe an einen Generalplaner

Ein Auftraggeber darf im Wege der Gesamtvergabe mehrere Planungsleistungen nur bei Vorliegen hinreichender Gründe zusammen an einen Generalplaner vergeben. Mit diesen Gründen und der für die Vorlage von Planungen im Vergabeverfahren zu zahlenden Vergütung hat sich die Vergabekammer Südbayern im Beschluss vom 21.03.2022 (3194.Z3-3_01-21-51) beschäftigt.

 

Sachverhalt


Der Auftraggeber und spätere Antragsgegner beabsichtigte die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags über Generalplanerleistungen unter Einsatz von Fördermitteln für den Umbau eines Hallenbades EU-weit im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb. Die Generalplanungsleistungen sollten die Objektplanung für Gebäude und Innenräume, die Fachplanungen der Tragwerksplanung und der technischen Ausrüstung in allen Anlagengruppen sowie die Leistungen der Bauphysik (Wärmeschutz, Schallschutz, Raumakustik) und für Brandschutz umfassen; die Beauftragung war in mehreren Stufen vorgesehen. Als Zuschlagskriterium war neben dem Preis u.a. vorgesehen, dass die Bieter ein Ideenkonzept über die Leistungserbringung als Generalplaner vorlegen, dessen projektspezifische Aussagen/Darstellungen gewertet werden sollten. Die Erstellung des Ideenkonzeptes sollte vergütet werden. Der spätere Antragsteller rügte den Verstoß gegen mittelständische Interessen durch die beabsichtigte Gesamtvergabe; die Planung eines Hallenbads unter Einbeziehung des Bestands sei eine standardisierte Planungsaufgabe ohne besondere Komplexität, die damit unschwer in Fachlose aufgeteilt werden könne. Zudem sei die festgesetzte Vergütung für die Ausarbeitung des Ideenkonzeptes mit EUR 20.000,00 zu niedrig und nicht HOAI-konform. Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab. Er begründete die Gesamtvergabe mit einer Abwägung der widerstreitenden Belange unter Berücksichtigung der technischen Zusammenhänge und Abhängigkeiten der Fachplanungen und der Objektplanung. Nur das abgestimmte Zusammenspiel könne zu einem Gesamtplanungsergebnis führen, das sowohl technisch als auch wirtschaftlich und klimaschutztechnisch funktional sei. Eine isolierte Bewertung von lediglich losbezogenen Ideenskizzen berge dagegen die Gefahr eines Musters ohne Wert. Die Vergütung der Lösungsvorschläge/Ideenskizzen in Höhe von 20.000,00 Euro entspreche bei einem prognostizierten Arbeitsaufwand von ca. 360 Stunden und einem gemittelten Stundensatz von 100,00 Euro mehr als der Hälfte der durchschnittlichen Angebotserstellungskosten. Der Antragsteller beantragte daraufhin die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens.


Entscheidung


Der Nachprüfungsantrag ist zulässig aber nur insoweit begründet, als dass der Auftraggeber und Antragsgegner keine angemessene Vergütung nach § 77 Abs. 2 VgV für die Erarbeitung des Ideenkonzeptes ausgelobt hat. 


Die vom Antragsgegner geplante Generalplanervergabe verstößt nicht gegen den Grundsatz der losweisen Vergabe, da wirtschaftliche und technische Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB hier eine Gesamtvergabe erfordern.  Nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Leistungen grundsätzlich in Losen zu vergeben. Hiervon kann nach Satz 3 nur dann abgesehen werden, "wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern". Mit diesem 2009 eingeführten Gebot zur Losaufteilung sollten die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen werden. Deshalb sollte von dem Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden können (BT-Drs. 16/10117, Seite 15). Dieses klare Regel-Ausnahme-Verhältnis bedeutet aber nicht, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. Aus der klaren Wertung des Gesetzgebers ergibt sich, dass es nicht ausreicht, wenn der Auftraggeber anerkennenswerte Gründe für die Gesamtvergabe vorbringen kann. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegensprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen (OLG München, Beschluss vom 25.03.2019 - Verg 10/18). Innerhalb dieser im Rahmen des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu. Vor diesem Hintergrund ist der Verzicht des Antragsgegners auf eine in Fachlose aufgeteilte Vergabe der Planungsleistungen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die in der umfangreichen Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe der vom Antragsgegner eingeschalteten Rechtsanwälte, die Bestandteil der Vergabedokumentation war und die sich der Antragsgegner zu eigen gemacht hat, vorgebrachten Gründe können zusammen mit dem schriftsätzlichen Vortrag und den Aussagen in der Erörterung der Sach- und Rechtslage über eine Videokonferenz die Generalplanervergabe im Ergebnis rechtfertigen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsgegner in seine Argumentation zahlreiche Aspekte einbezogen hat, die nicht geeignet sind, das Absehen vom Grundsatz der losweisen Vergabe zu rechtfertigen. Insbesondere Aspekte wie die Verringerung von Schnittstellenproblemen, die einfachere Verantwortlichkeit bei Schlechtleistungen und der geringere Abstimmungsaufwand des Bauherrn sind Folge jeder Losvergabe und von vornherein nicht als einzelfallbezogene technische oder wirtschaftliche Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB zu berücksichtigen. Dies gilt hier umso mehr, weil sich der Antragsgegner für die Erfüllung seiner Bauherrnaufgaben eines professionellen Projektsteuerers bedient. Nachvollziehbar dargestellt hat der Antragsgegner dagegen, dass technische Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB aufgrund der Komplexität der verfahrensgegenständlichen Planungsleistungen und den zahlreichen Schnittstellen zwischen den verschiedenen Planungsdisziplinen vorliegen. Beispielsweise bestehen vorliegend erhebliche Verknüpfungen der Anlagengruppe Badewassertechnik und Elektrotechnik mit dem Hochbau und der Tragwerksplanung. Auch bei der Beckenkonstruktion ist vorliegend eine erhebliche Verknüpfung der Tragwerksplanung und der Hochbauplanung im Zusammenhang mit der Festlegung der Korrosionsschutzklassen und der Beckenstatik erforderlich. Hinzu kommen hohe bauphysikalische und bautechnische Anforderungen in allen Anlagengruppen und Bauteilen durch die bei der Planung eines Hallenbads immer zu berücksichtigende Feuchtigkeit. Diese Erwägungen des Antragsgegners sind nachvollziehbar. Derartige fachplanungsübergreifende Lösungsvorschläge kann der Antragsgegner im Stadium der Vergabe nur im Wege einer Generalplanervergabe erhalten.


Der Antragsteller ist allerdings dadurch in seinen Rechten verletzt, dass der Antragsgegner keine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV für die Ausarbeitung der Ideenkonzepte (Lösungsvorschläge für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen) festgesetzt hat. Abweichend von dem Grundsatz in § 77 Abs. 1 VgV, dass für die Bearbeitung des Angebots Kosten nicht erstattet werden, ist gem. § 77 Abs. 2 VgV für die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen einheitlich für alle Bewerber eine angemessene Vergütung festzusetzen. Die Überprüfung der Angemessenheit einer Vergütung nach § 77 Abs. 2 VgV kann zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden. Wären die geforderten Leistungen im Rahmen eines bereits abgeschlossen Architekten- bzw. Ingenieurvertrags und nicht - wie hier - als Teil des Angebots im Vergabeverfahren zu erbringen gewesen, würden sie erhebliche Teile der Leistungsphasen 1 und 2 der jeweiligen Leistungsbilder der HOAI umfassen. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien ausschließlich streitig, ob die vom Antragsgegner festgesetzten 20.000 Euro für jeden Bewerber angesichts der umfangreichen zu erbringenden Planungsleistungen eine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV darstellen. Der Antragsteller hat hierzu bereits im Januar 2021 ein Gutachten erstellen lassen, welches ein Honorar von ca. 129.000 Euro nach HOAI für die Leistungen zur Erstellung der Lösungsvorschläge annimmt. Nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern ist der Ansatz des Antragsgegners nicht zu beanstanden, die Vergütung auf der Basis von Erfahrungswerten seines Projektsteuerers nach dem konkreten angenommenen Zeitaufwand für die zu erbringenden Planungsleistungen unter Ansatz angemessener Stundensätze zu bestimmen. Spätestens seit dem Wegfall der verbindlichen Mindestsätze der HOAI muss eine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV nicht mehr zwingend auf der Basis der HOAI ermittelt werden (VK Sachsen, Beschluss vom 05.02.2019 - 1/SVK/038-18). Der Antragsgegner hat allerdings keine angemessene Vergütung i.S.d. § 77 Abs. 2 VgV festgesetzt, weil die von ihm vorgesehene Vergütung von 20.000 Euro nur etwas mehr als die Hälfte der von ihm selbst vertretbar angenommenen Angebotserstellungskosten von 36.000 Euro abdeckt und er nicht ausreichend begründet hat, warum im konkreten Einzelfall eine derartige Vergütung noch als angemessen anzusehen sehen ist. Wie aus der Stellungnahme "Ideenskizzen im Lichte des § 77 VgV" hervorgeht, hat der Antragsgegner - nach seinen Angaben in der Erörterung auf Basis von Erfahrungswerten des Projektsteuerers - für die Erstellung der Lösungsvorschläge einen prognostizierten Arbeitsaufwand von ca. 360 Stunden angenommen. Hierbei ist er vom Einsatz von drei Mitarbeitern ausgegangen, die Vollzeit (8h/Tag) drei Wochen zu 5 Tagen pro Woche an den Lösungsvorschlägen arbeiten. Dieser Einschätzung ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Auch die entsprechenden Stundensätze für den Büroinhaber und Architekten mit verschiedenen Gehaltshöhen hat der Antragsgegner vertretbar aus einer einschlägigen Publikation ermittelt und auf 100 Euro gemittelt. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 13.01.2017 - X ZR 93/15) hat der Antragsgegner sodann bei einem ermittelten Aufwand von 36.000 Euro eine Vergütung von 20.000 Euro festgesetzt.  Jedenfalls mit der vorliegenden Begründung war der Antragsgegner jedoch nicht befugt eine Vergütung festzusetzen, die nur etwas mehr als die Hälfte des von ihm vertretbar auf Basis von Stundensätzen ermittelten Aufwands für die Bearbeitung der Lösungsvorschläge beträgt. Im Falle fortbestehender Beschaffungsabsicht hat der Antragsgegner über die Höhe einer angemessenen Vergütung oder die Reduzierung der Anforderungen bzgl. der geforderten Entwürfe, Pläne, Zeichnungen oder anderen Unterlagen eigenverantwortlich zu entscheiden (BGH, Urteil vom 19.04.2016 - X ZR 77/14) und auf dieser Basis zur Abgabe neuer Teilnahmeanträge aufzufordern.

 

Fazit


Die vom Antragsteller eingelegte sofortige Beschwerde scheiterte vor dem BayObLG daran, dass die Beschwerde fälschlicherweise beim OLG München eingereicht worden war, welches seit dem 01.01.2021 nicht mehr für Beschwerdeverfahren im Vergabenachprüfungsverfahren zuständig ist (Verg 4/22).


Der Antragsgegner hat in seiner Stellungnahme zur Zulässigkeit einer Generalplanervergabe dargelegt, dass er die - wohl auch für die angestrebte Förderung relevanten - Aspekte hohes Innovationspotential, Energiekonzepte zur Reduzierung des CO2-Ausstoß und den konzeptionellen und baulichen Qualitätsanspruch dadurch hinreichend absichern wollte, dass entsprechende Lösungsvorschläge in Form eines Ideenkonzeptes von den Bietern eingefordert werden, die als Zuschlagskriterium wertungserheblich sind. Da die Fördervorgaben projektbezogen und nicht teilbereichsbezogen sind und weil es bei dem vorliegenden Projekt (Umbau eines Hallenbades) zu besonderen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen gestalterischen, konstruktiven, technischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten kommt, konnten die Lösungsvorschläge nach Auffassung des Antragsgegners auch nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung wertungserhebliche Aussagekraft entfalten. Eine isolierte Bewertung von losbezogenen Ideenskizzen (Lösungsvorschlägen) erbringt im Vergabeverfahren nicht die erforderliche Klarheit zur Bewertung. Es zeigt sich, dass eine Begründung der Gesamtvergabe auch bei grundsätzlich fachlich unterschiedlichen Leistungsbildern gelingen kann.


Hinsichtlich der ausgelobten Vergütung kann der Auftraggeber unter Wiederholung des Vergabeverfahrens „nachsteuern“; hier ging seiner überwiegend guten Dokumentation und Begründung des geplanten Vorgehens im Vergabevermerk offenbar auf den letzten Metern die Luft aus.
 

 

Mehr aus diesem Rechtsgebiet lesen

01.12.2022

Informationen

Vergabekammer Südbayern
Urteil/Beschluss vom 21.03.2022
Aktenzeichen: 3194.Z3-3_01-21-51

Fachlich verantwortlich

Armin Preussler FA f. Bau- u. ArchitektenR und VergR

Seminare im Fokus

Unten finden Sie eine Auswahl von Fortbildungen zum Rechtsgebiet Vergaberecht. 

Alle Onlineseminare zu Vergaberecht finden Sie hier

ARBER-Info

Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

FAQ

Fragen und Antworten