Armin Preussler FA f. Bau- u. ArchitektenR und VergR

Man hat beim Nachreichen von Unterlagen nur eine Chance!

Ein Bieter darf dem Auftraggeber nach der Angebotseinreichung nur dann von sich aus fehlende Unterlagen nachreichen, wenn der Auftraggeber ihn hierzu hätte auffordern müssen. Eine zweite Nachreichung ist nicht gestattet. Dies entschied die erste Vergabekammer des Bundes im Beschluss vom 11.03.2022 (VK 1-23/22).

 

 

 

Sachverhalt

Im europaweiten, offenen Verfahren zur Vergabe von Putz- und Stuckarbeiten forderte der Auftraggeber in seiner Bekanntmachung die Vorlage von mindestens drei Referenzen über abgeschlossene, nicht länger als fünf Jahre zurückliegende Arbeiten gleicher Art. Diese Mindestanforderung für die Ausführung der Putz- und Stuckarbeiten begründete der Auftraggeber in seinem Vergabevermerk. Das einzige Zuschlagskriterium war der Preis. Neben weiteren Bietern gaben die spätere Antragstellerin und die spätere Beigeladene ihre Angebote ab. Der Angebotspreis der Antragstellerin war bei der Öffnung der Angebote der niedrigste Preis. Allerdings hatte die Antragstellerin ihrem Angebot keine der geforderten Referenzen beigefügt. Der Auftraggeber forderte die Antragstellerin sodann unter Fristsetzung auf, drei Referenzen entsprechend der Mindestanforderungen der Ausschreibung vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin zwar fristgerecht nach und legte sogar neun Referenzen vor; nur eine jedoch erfüllte die Mindestanforderung, nicht älter als fünf Jahre zu sein. Darauf vom Auftraggeber hingewiesen, legte die Antragstellerin am gleichen Tag und noch vor Ende der gesetzten Frist sechs weitere Referenzen vor, die nun sämtliche Mindestanforderungen an die Referenzen erfüllten. Der Auftraggeber teilte der Antragstellerin rund eine Woche später mit, dass eine zweite Nachreichung von Referenzen nicht möglich sei und dass ihr Angebot daher wegen begründeten Zweifeln an der Eignung hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt werden könne. Der Antragstellerin rügte ihren Angebotsausschluss und erläuterte, sie habe bei der ersten Nachreichung versehentlich eine ältere Referenzliste versandt, aber immer noch innerhalb der vom Auftraggeber geforderten Frist weitere Referenzen vorgelegt, nachdem sie über ihren Fehler vom Auftraggeber benachrichtigt worden sei. Diese Rüge half der Auftraggeber nicht ab, sodass die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahren beantragte.

 

 

 

 

Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Antragstellerin mit ihrem Angebot zu Recht mangels Eignung ausgeschlossen worden ist. Sie hat die vom Auftraggeber zulässigerweise aufgestellten Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit nicht erfüllt. Nachdem das Angebot der Beigeladenen wertungsfähig ist, kann der Nachprüfungsantrag auch nicht etwa deshalb erfolgreich sein, weil alle Angebote auszuschließen wären. Die Anforderungen des Auftraggebers an die technische Leistungsfähigkeit sind hier auch nicht zu beanstanden; die Vorlage von mindestens drei Referenzen für einen bestimmten Leistungszeitraum wurde zulässig und wirksam gefordert. Das Eignungskriterium „Referenzen in Putz- und Stuckarbeiten“ steht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und sowohl hinsichtlich Zeitraum und Anzahl der geforderten Referenzen in einem angemessenen Verhältnis. Auch wurde dieses Eignungskriterium in der Bekanntmachung genannt. Diese wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen hat die Antragstellerin nicht erfüllt, als sie die Referenzen nicht mit dem Angebot und auch nicht auf die Anforderung des Auftraggebers hin nachgereicht hat. Mit ihrer ersten Nachreichung innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Frist hat die Antragstellerin die Mindestanforderungen an die Referenzen lediglich in formaler Hinsicht erfüllt. Ob die vorgelegten neun Referenzen inhaltlich den bekannt gemachten Anforderungen entsprechen, hat der Auftraggeber sodann im Rahmen der sogenannten materiellen Eignungsprüfung festzustellen (s. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2019 – Verg 36/18). In dieser Prüfung ist der Auftraggeber zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass von den zunächst vorgelegten Referenzen der Antragstellerin nur eine einzige der wirksam festgelegten Mindestanforderungen an den Leistungszeitraum entspricht. Damit erfüllte die Antragstellerin die vom Auftraggeber aufgestellten Eignungskriterien nicht und war gemäß §§ 6, 16b VOB/A-EU mit ihrem Angebot auszuschließen. Die weiteren, von der Antragstellerin vorgelegten und tatsächlich den Mindestanforderungen des Auftraggebers entsprechenden Referenzen hat dieser richtigerweise inhaltlich nicht mehr gewertet. Der durch das Schreiben des Auftraggebers ausgelöste Nachforderungsvorgang war spätestens mit Vorlage der neun zunächst nachgereichten neun Referenzen der Antragstellerin abgeschlossen. Möglich ist dabei zwar grundsätzlich der Umstand, dass die Antragstellerin die weiteren nachgereichten sechs Referenzen ohne erneute Aufforderung des Auftraggebers vorlegte. Ein Bieter kann auch ohne eine entsprechende Aufforderung des Auftraggebers seinem Angebot fehlende Unterlagen nachreichen, wenn der Auftraggeber zur Nachforderung verpflichtet ist. Der Bieter kommt dieser Nachforderung dann lediglich zuvor, was vergaberechtlich unschädlich ist. Im vorliegenden Fall jedoch konnte der Auftraggeber kein zweites Mal fehlende Unterlagen nachfordern, sodass die selbständige Nachreichung der weiteren Referenzen nicht statthaft gewesen ist. damit ist der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

 

 

Fazit

Ein „Nachschießen“ , mithin einen zweiten Anlauf von nachzureichenden Unterlagen gibt es für einen Bieter nicht. Rechtsgrund für die fehlende Statthaftigkeit einer nochmaligen Nachforderung fehlender Unterlagen durch den Auftraggeber sind die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter, die allgemein für das gesamte Vergabeverfahren gelten (siehe nur § 97 Abs. 1, 2 GWB). Hier brauchte die Vergabekammer des Bundes nicht darüber zu entscheiden, ob eine andere Entscheidung geboten gewesen wäre, wenn ein Bieter im Rahmen der Nachreichung nachgeforderter Unterlagen den Vorbehalt erklärt, noch weitere Unterlagen innerhalb der laufenden Frist nachzureichen oder auf andere Weise zu erkennen gibt, dass seine Antwort noch nicht abschließend sein soll. Im hier entschiedenen Fall hatte die Antragstellerin im Begleitschreiben zum Ausdruck gebracht, dass sie „anbei“ „die geforderten Unterlagen“ übersende. Dies konnte der Auftraggeber nur so verstehen, dass die Antragstellerin dem Nachforderungsverlangen vollständig nachkommen wolle und hat die Referenzen geprüft. So entschieden hat auch die VK Südbayern in einer ähnlichen Konstellation (Beschluss vom 27.02.2019 - Z3-3-3194-1-44-11/18) und stellte darauf ab, dass ursprünglich eingereichte Angebote inhaltlich nicht nachgebessert werden dürfen, wenn zunächst unzureichende Referenzen eingereicht werden, die dann in einem zweiten Anlauf des Bieters durch ausreichende Referenzen ersetzt werden sollen.

 

Mehr aus diesem Rechtsgebiet lesen

31.10.2022

Informationen

Die erste Vergabekammer des Bundes
Urteil/Beschluss vom 11.03.2022
Aktenzeichen: VK 1-23/22

Fachlich verantwortlich

Armin Preussler FA f. Bau- u. ArchitektenR und VergR

Seminare im Fokus

Unten finden Sie eine Auswahl von Fortbildungen zum Rechtsgebiet Vergaberecht. 

Alle Onlineseminare zu Vergaberecht finden Sie hier

ARBER-Info

Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

FAQ

Fragen und Antworten