Prof. Roland Kesselring

Bauverträge: Kein Anordnungsrecht des Auftraggebers zur Bauzeit

1. Eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. April 1992 - VII ZR 129/91).


2a. Ob ein Verhalten oder eine Erklärung des Auftraggebers als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §§ 133, 157 BGB.


2b. Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B vor.


2c. Auch die Übermittlung von Bauablaufplänen stellt keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird. Dies gilt auch, wenn darin im Hinblick auf die Behinderungen und die deshalb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgen.

 

Hinweis für die Praxis

Die hier wiedergegebene Entscheidung des BGH ist für alle, die mit der Anspruchsbegründung oder der Anspruchsabwehr in Zusammenhang mit Bauzeitverzögerungen zu tun haben, sehr lesenswert und zu beachten. Erfreulich klar stellt der Senat heraus, dass vertragliche Anordnungen des Auftraggebers (§ 1 Abs. 3 VOB/B) nicht schon darin liegen, dass er auf eingetretene Bauablaufstörungen reagiert – etwa durch Übermittlung eines neuen, an Störungen angepassten Bauzeitenplans. Gleiches gilt für die Mitteilung von Behinderungstatbeständen und den hieraus resultierenden Konsequenzen (dass die Leistungen des Auftragnehmers derzeit nicht erbracht werden können); auch derartige Erklärungen können als Mitwirkungshandlung regelmäßig nicht mit einem weitergehenden Erklärungsgehalt im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Änderungsanordnung gedeutet werden:


Von der Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B sind nach der Systematik der VOB/B Störungen des Vertrags aufgrund von Behinderungen abzugrenzen, die faktisch zu Bauzeitverzögerungen führen. Derartige Störungen können nicht als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B gewertet werden“. (Rdnr. 24)


„Soweit älteren Entscheidungen des Senats entnommen werden könnte, dass Vorgaben des Auftraggebers zur Bauzeit als Folge von Behinderungen, die aus dem Risikobereich des Auftraggebers herrühren, regelmäßig Mehrvergütungsansprüche gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B rechtfertigen können (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 - VII ZR 23/84, BGHZ 95, 128, juris Rn. 25; Urteil vom 21. Dezember 1970 - VII ZR 184/69, juris Rn. 43; Urteil vom 21. März 1968 - VII ZR 84/67, BGHZ 50, 25, juris Rn. 21), hält der Senat hieran nicht fest.“ (Rdnr. 32)

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06.12.2024

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 19.09.2024
Aktenzeichen: VII ZR 10/24

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