Prof. Roland Kesselring FA f. Bau- u. ArchitektenR

Bauverträge - Abnahme und Abnahmefiktion bei Mängeln: neuer § 640 Abs. 2 BGB

1. Eine fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB tritt auch dann ein, wenn der Besteller bereits vor der Fristsetzung Mängel des Werks gerügt hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Werkunternehmer keine erheblichen Mängel des Werks bekannt sind.

 


2. Nach Eintritt des Annahmeverzuges mit der Nachbesserung kann der Besteller nach wie vor ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB geltend machen, allerdings beschränkt auf die Höhe der Mangelbeseitigungskosten.

 

Der Entscheidung liegt bereits ein Lebenssachverhalt zugrunde, der dem „neuen“ BGB-Bauvertragsrecht 2018 unterliegt. Bekanntlich hatte der Gesetzgeber mit der Bau- und Werkvertragsrechtsreform auch die Voraussetzungen der fiktiven Abnahme (vorheriger § 640 Abs. 1 S. 3 BGB) geändert, um die es im hier zu beurteilenden Streitfall maßgeblich geht: nach „altem“ Recht konnten die Abnahmewirkungen durch Fiktion dann nicht eintreten, wenn die Werkleistung mit wesentlichen Mängeln behaftet war; darauf kommt es seit der Neuformulierung des § 640 Abs. 2 BGB 2018 nicht mehr an. 
Die Revision hat das OLG Schleswig ausdrücklich zur Klärung der Frage zugelassen, ob eine fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB ausscheidet, wenn der Besteller bereits vor dem Abnahmeverlangen die Abnahme unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Dann könnte im Einzelfall ein gleichwohl ausgebrachtes, späteres Abnahmeverlangen rechtsmissbräuchlich sein, sofern seitdem keine weitergehenden Leistungen erbracht wurden. Allerdings: die gesetzliche Neuregelung des § 640 Abs. 2 BGB 2018 formuliert schlichtweg zumutbare Mitwirkungshandlungen eines jeden Auftraggebers, der sich einem Abnahmeverlangen des Werkunternehmers ausgesetzt sieht; kommt er diesen nicht nach, muss auch aus Gründen der Rechtsklarheit die gesetzlich definierte Folge des Fristablaufes ohne weiteres eintreten. Insofern wäre die zur Revision formulierte Frage mit „Nein“ zu beantworten (fiktive Abnahme scheidet nicht (!) aus, wenn der Besteller sich nur vor dem Abnahmeverlangen geäußert hat, auf die spätere Fristsetzung aber nicht mehr reagiert).

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28.02.2022

Informationen

OLG Schleswig
Urteil/Beschluss vom 10.12.2021
Aktenzeichen: 1 U 64/20

Quelle

amtliche Leitsätze

Fachlich verantwortlich

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