Prof. Roland Kesselring FA f. Bau- u. ArchitektenR

Honorarrecht nach HOAI: deutlicher könnten die Unterschiede zwischen „altem“ (2013) und neuem Preisrecht (2021) kaum ausfallen!

1. Auch wenn kein Ausnahmefall gem. § 7 Abs. 3 HOAI 2013 vorliegt, welcher eine von den Vertragsparteien getroffene mindestsatzunterschreitende Pauschalvereinbarung rechtfertigt, kann eine später vom Auftrag-nehmer im Wege der Korrektur vorgenommene mindestsatzorientierte Abrechnung im Einzelfall gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstoßen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung vertrauen durfte und sich zudem in schützenswerter Weise auf die Zugrundelegung dieser Vereinbarung eingerichtet hat.

 


2. Eine derartige Konstellation liegt vor, wenn

- der Architekt oder Ingenieur mit dem Auftraggeber nicht nur einen Vertrag, sondern in einer ständigen, über mehrere Jahre währenden Geschäftsbeziehung eine Vielzahl von Verträgen geschlossen hat, in welchen die Preisvereinbarungen unter den Sätzen der HOAI lagen;

 


- nach Beendigung und Abrechnung der Bauvorhaben bis zur Erstellung der korrigierten Schlussrechnungen mehrere Jahre (im vorliegenden Falle: fünf Jahre) vergangen waren;

 


- der Auftraggeber keine Veranlassung hatte, mit Nachforderungen zu rechnen, er aus diesem Grunde keine Rücklagen gebildet hat, die Höhe der nachgeforderten Summe zu den ursprünglich einkalkulierten Kosten außer Verhältnis steht und die Nachforderung deshalb für den Auftraggeber eine besondere Härte bedeutet.

 

Der Entscheidung liegt ein nach bisherigem Preisrecht so typischer Lebenssachverhalt zugrunde, wie er in dieser oder ähnlicher Form sicherlich jedem von uns schon einmal untergekommen ist: ein gewerblicher Anbieter von schlüsselfertigen Einfamilienwohnhäusern und ein Architekt arbeiteten im Zeitraum von 5 Jahren bei einer Vielzahl verschiedener Bauvorhaben zusammen. „Im Rahmen dieser Bauvorhaben beauftragte die Beklagte die Klägerin jeweils mit der Erbringung von Leistungen der alleinigen Bauüberwachung im Sinne der Leistungsphase 8 des § 34 HOAI Abs. 3. Mit Beginn der Geschäftsbeziehung vereinbarten die Parteien schriftlich, dass die Klägerin pro Bauvorhaben ein pauschales Grundhonorar von 1.600 Euro netto für ihre Tätigkeit“ erhalten sollte. Auch ohne Einzelberechnung erkennt man sofort die „schwindelerregende Mindestsatzunterschreitung“ in dieser Honorarabrede (anders kann man es wirklich kaum bezeichnen!).


Unter Berufung auf den Mindestpreischarakter der HOAI macht der Architekt deshalb später – nach „gescheiterter“ Zusammenarbeit - eine Gesamtforderung in Höhe von weiteren 88.361,52 Euro für die zuvor beschriebene Überwachungstätigkeit an 26 Bauvorhaben als Mindestsatzhonorar geltend. Der verklagte Auftraggeber (Anbieter von schlüsselfertigen Einfamilienwohnhäusern) beruft sich u.a. auf die Unzumutbarkeit der Nachzahlung (§ 242 BGB: “könne ihr auch aufgrund der fehlenden Bildung von Rücklagen nicht zugemutet werden“) und meint im Übrigen, die Zusammenarbeit sei doch – da anfangs als „dauerhafte“ Zusammenarbeit gedacht – ein preisrechtlich relevanter Ausnahmefall zur (zulässigen) Unterschreitung der Mindestpreise.


Wie ist zu entscheiden? Sicher ist nur eines: unter Zugrundelegung der HOAI 2021 gäbe es diesen Streitfall nicht, weil die Preise jetzt ja bekanntlich freigegeben sind und es ausschließlich auf die vertragliche Vereinbarung ankäme. Der Fall zeigt aber deutlich die Auswirkungen, die der Wegfall des zwingenden Preisrechts haben kann – gerade deshalb haben die Berufsverbände und Kammern auf eine Beibehaltung des bisherigen Preisrechts gehofft, auch wenn dies unter europarechtlichen Gesichtspunkten utopisch war.

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31.08.2021

Informationen

LG Dessau-Roßlau
Urteil/Beschluss vom 09.04.2021
Aktenzeichen: 2 O 196/19

Fachlich verantwortlich

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