Prof. Roland Kesselring FA f. Bau- u. ArchitektenR

Bauvertrag und Insolvenzrecht: Zur Wirksamkeit von vertraglichen Lösungsklauseln des Bauherrn/Auftraggebers im Insolvenzfall des Auftragnehmers

Jetzt auch der Insolvenzsenat des BGH: Ja zu derartigen Klauseln im Bauvertrag

 1a. Eine insolvenzabhängige Lösungsklausel ist unwirksam, wenn der insolvenzabhängige Umstand für sich allein die Lösung vom Vertrag ermöglicht und die Lösungsklausel in Voraussetzungen oder Rechtsfolgen von gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten abweicht, ohne dass für diese Abweichungen bei objektiver Betrachtung ex ante zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf der Grundlage der wechselseitigen Interessen der Parteien berechtigte Gründe bestehen (Ergänzung BGH, Urt. v 15.11.2012 - IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348).

    

1b. Solche berechtigten Gründe können sich bei insolvenzabhängigen Lösungsklauseln allgemein aus einer insolvenzrechtlich gerechtfertigten Zielsetzung oder zugunsten eines Sach- oder Dienstleistungsgläubigers ergeben. Hingegen ist eine insolvenzabhängige Lösungsklausel zugunsten eines Geldleistungsgläubigers regelmäßig unwirksam. (amtliche Leitsätze)

 

 

Hinweise für die Praxis

Die hier wiedergegebenen Leitsätze betreffen zwar den Fall eines Beförderungsvertrages – der IX. Zivilsenat des BGH hat aber sehr differenziert einzelne Lebenssachverhalte und die zugrundeliegenden Interessenlagen der Beteiligten voneinander getrennt und unterschiedlich bewertet (die Entscheidung ist auch deshalb sehr lesenswert): Entscheidend ist – so der BGH nunmehr -, „ob aus der Sicht ex ante - sei es im Hinblick auf die bei Vertragsabschluss bestehenden Umstände, sei es im Hinblick auf die durch eine Insolvenzsituation ausgelösten Umstände - für eine insolvenzabhängige Lösungsklausel ein sachlicher Grund besteht, welcher der Lösungsklausel einen anderen Charakter verleiht als das bloße Bestreben des Vertragspartners, den Vertrag den zwingenden Regelungen der §§ 103 bis 118 InsO zu entziehen. Hierbei kommt es in erster Linie auf die objektive Sachlage an. Subjektive Vorstellungen des Einzelfalls sind hingegen unerheblich.“ Das sei – so der BGH weiter – insbesondere in den Fällen anzunehmen, in denen „das Gesetz eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässt und die vertragliche Ausgestaltung der wichtigen Gründe durch eine typisierte Interessenbewertung für die darin geregelten Fälle gerechtfertigt ist. Für die typisierte Bewertung ist entscheidend, ob die mit der Insolvenz einhergehenden Risiken die weitere Vertragserfüllung in einem Ausmaß gefährden, das nach der Art der geschuldeten vertraglichen Leistungen und der wechselseitigen Interessen der Parteien bei einer vom Einzelfall losgelösten Betrachtung einen wichtigen Grund darstellen kann. Dies gilt für alle Verträge, die unabhängig von einer Sanierung oder außerhalb von Sanierungsversuchen abgeschlossen worden sind“.

  

Mit anderen Worten: auch für Bauverträge und die über Jahre hinweg streitig behandelte Frage der wirksamen Lösung vom Bauvertrag über eine der Varianten des § 8 VOB/B gilt: die Klausel ist wirksam, weil (wenn) die Vertragsparteien nach der Interessenlage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine insolvenzrechtlich gerechtfertigte Zielsetzung innerhalb der vertragsautonomen Gestaltung der Verhältnisse verfolgen (Interesse der zügigen Fortsetzung der Baumaßnahme) und zudem das Gesetz eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässt.

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21.02.2023

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 27.10.2022
Aktenzeichen: IX ZR 213/21

Quelle

amtliche Leitsätze

Fachlich verantwortlich

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