Dr. Olaf Schermann FA f. ErbR

Inhalt des Zuziehungsrechts beim notariellen Nachlassverzeichnis

Das notarielle Nachlassverzeichnis ist eine Tatsachenbescheinigung des Notars über seine Ermittlungen und Wahrnehmungen. Sie wird durch Errichtung einer öffentlichen Zeugnisurkunde über die vom Notar festgestellten Tatsachen errichtet; eine Verlesung findet nicht statt. Der Pflichtteilsberechtigte hat an einer Anwesenheit bei diesem Vorgang grundsätzlich kein Interesse.


Das Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten bei der Aufnahme des amtlichen Verzeichnisses durch einen Notar besteht nicht bei einzelnen notariellen Ermittlungshandlungen.


Der Pflichtteilsberechtigte hat grundsätzlich keinen Anspruch, die vom Notar im Rahmen der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses auszuwertenden Unterlagen einzusehen.

 

Hinweis für die Praxis:
Wie das Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten bei der Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses ausgestaltet ist, ist bislang nicht abschließend geklärt. Teilweise wird vertreten, der Pflichtteilsberechtigte dürfe dem Notar bei dessen Ermittlungen „über die Schulter schauen“, um Einsicht in Belege zu erhalten (so Horn in Burandt/Rojahn, BGB, § 2314 Rn. 64a; van der Auwera, ZEV 2008, 359; Papenmeier, ErbR 2020, 783), während die überwiegende Auffassung ein solches Anwesenheitsrecht bei vorbereitenden Ermittlungshandlungen wie Wohnungsbegehung oder Sichtung von Unterlagen ablehnt (so MüKo/Lange, BGB, § 2314 Rn. 63; BeckOK/Müller-Engels, BGB, § 2314 Rn. 25; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2314 Rn. 6; Keim, ZEV 2018, 501; Heinze, DNotZ 2019, 427). Dem Pflichtteilsberechtigten kommt damit lediglich die Position eines „stillen Beobachters“ zu, der keine eigenen Mitwirkungsrechte hat (Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2314 Rn. 6). Er darf vor Ort weder eigene Nachforschungen anstellen noch die Richtigkeit der Erklärungen des Erben in Zweifel ziehen oder die Aufnahme des Verzeichnisses sonst verzögern oder erschweren (KG, NJW 1996, 2312; Staudinger/Herzog, BGB, § 2314 Rn. 185; MüKo/Lange, BGB, § 2314 Rn. 62). Zunehmend wird jedoch befürwortet, der Notar müsse dem Pflichtteilsberechtigten wenigstens „rechtliches Gehör“ gewähren, um Hinweise und Anregungen geben und Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit nehmen zu können (so Heinze, DNotZ 2019, 428; Koroch, RNotZ 2020, 556; Außner/Schönenberg-Wessel, ZErb 2024, 365), weil das Zuziehungsrecht ansonsten bloße Förmelei wäre.

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16.04.2025

Informationen

OLG München
Urteil/Beschluss vom 03.12.2024
Aktenzeichen: 33 W 1034/24

Fachlich verantwortlich

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