Dr. Olaf Schermann FA f. ErbR
Es ist unzulässig, einen zivilrechtlichen Erbschaftsprozess bis zur einer Entscheidung in einem gleichzeitig betriebenen Erbscheinsverfahren auszusetzen, weil es an der Vorgreiflichkeit fehlt. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen rechtfertigen eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht.
Anmerkung für die Praxis:
Ein Erbscheinsverfahren kann nach § 21 FamFG ausgesetzt werden, wenn zwischen den Erbprätendenten ein Zivilprozess zur Feststellung des Erbrechts anhängig ist (BayObLG, FamRZ 1999, 334; MüKo/Grziwotz, FamFG, § 352e Rn. 76), denn das Ergebnis des Feststellungsprozesses ist für das Erbscheinsverfahren vorgreiflich. Sofern Dritte als Erben nicht ernsthaft in Betracht kommen, hat das Nachlassgericht den Erbschein demjenigen zu erteilen, dessen Erbrecht im Prozess rechtskräftig festgestellt wird (BayObLG, FamRZ 1999, 334; MüKo/Grziwotz, FamFG, § 352e Rn. 82). In umgekehrter Richtung gilt dies nicht, weil das Erbscheinsverfahren für den Zivilprozess keine präjudizielle Wirkung hat (KG, OLGZ 1975, 355; OLG Dresden, OLG-NL 1994, 243; LG Braunschweig, ZEV 2022, 602; Zöller/Greger, ZPO, § 148 Rn. 9). Dem Erbschein kommt keine materielle Rechtskraftwirkung zu, sondern er kann nach § 2361 BGB jederzeit eingezogen werden (BGH, FamRZ 2010, 1068). Auch die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins nach § 2365 BGB und die damit verbundene Beweiserleichterung ändern nichts daran, dass für den Zivilprozess keine Vorgreiflichkeit begründet wird.
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