Beschlüsse über die Geschäftsführerbestellung mittels elektronischer Unterschriften - Nachweis gegenüber dem Registergericht

Verfahrensrechtlich müssen Beschlüsse, die Grundlage für eine Veränderung in der Geschäftsführung sind, dem Registergericht als (Privat-)Urkunden iSv § 39 Abs. 2 GmbHG[1] in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorgelegt werden, wobei gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 HGB die Übermittlung einer einfachen elektronischen Aufzeichnung (pdf) genügt.[2]

 

Jedenfalls der Ausdruck eines von allen Gesellschaftern qualifiziert elektronisch signierten Beschlussdokuments gemäß Art. 25 Abs. 2 eIDAS dürfte als Urschrift iSv § 39 Abs. 2 GmbHG anzusehen sein, da die qualifizierte elektronische Signatur der materiellrechtlichen Schriftform gemäß § 126a Abs. 1 BGB gleichsteht.

 

Ob ein Beschlussdokument, welches die Gesellschafter mit einer einfachen elektronischen Signatur versehen und ggf. ausgedruckt haben, vorbehaltlich dessen konkreten Beweiswerts eine urschriftliche Urkunde iSv § 39 Abs. 2 GmbHG darstellen kann, ist umstritten.[3]

 

  • Die liberalere Auffassung sieht eine Beschlussfassung schon mittels einfacher elektronischer Signatur auf einem elektronischen Beschlussdokument und dessen Übermittlung an das Registergericht gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 HGB, § 39 Abs. 2 GmbHG als ausreichend an.[4] Argumentiert wird dabei ua damit, dass ein über das formale Prüfungsrecht des Registergerichts hinaus gehendes Recht zur Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Beschlussfassung begründete tatsächliche Anhaltspunkte bzw. Zweifel erfordert.[5] Die Verwendung der einfachen elektronischen Form selbst kann nach der liberaleren Auffassung jedoch kein solcher Anhaltspunkt oder Anlass für berechtigte Zweifel des Registergerichts sein, um deren materiellrechtliche Prüfungspflicht zu eröffnen und anderweitige Nachweise für die Beschlussfassung verlangen zu können.[6] Dafür spricht auch, dass sich der Gesetzgeber mit der seinerzeitigen Neufassung des § 12 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 HGB hinsichtlich der Einreichung von Dokumenten zum Handelsregister bewusst für eine Beifügung unsignierter elektronischer Aufzeichnungen entschieden hat. Daher darf die hiermit einhergehende bewusste Herabsetzung der Nachweisqualität gegenüber dem Registergericht zum Zwecke der Vereinfachung des Eintragungsverfahrens nicht durch überobligatorische Anforderungen des Registergerichts im Rahmen der materiellrechtlichen Prüfung und ggf. Beweiswürdigung unterlaufen werden.[7] Dementsprechend erachtet das Kammergericht in einer aktuellen Entscheidung vom 14.4.2022 die Einreichung einer elektronischen Aufzeichnung eines Beschlusses als ausreichend für eine Urschrift im Sinne des § 39 Abs 2 GmbHG.[8] Es genügt danach die Erstellung eines Dokuments, dass dauerhaft wiedergegeben werden kann. Dies entspreche, so das Kammergericht, auch § 48 Abs. 2 GmbHG, nach dem Beschlüsse der Gesellschafter in Textform gefasst werden können.[9]

  • Die strengere Auffassung hält einen mit DocuSign oä unterzeichneten Beschluss generell für nicht ausreichend iSv § 39 Abs. 2 GmbHG und führt damit zu dem Ergebnis, dass sich aus dem Verfahrensrecht de lege lata Formvorgaben ergeben, die strenger sind als das materielle Recht, welches Textform ausreichen lässt.[10] § 39 Abs. 2 GmbHG sei insoweit – eingebettet in § 48 Abs. 2 GmbHG, der eine digitale Stimmabgabe ermöglicht, und § 12 HGB, der eine digitale Übermittlung gegenüber dem Register und einen digitalen Beglaubigungsprozess vorsieht – ein aus der Zeit gefallener Fremdkörper, der de lege ferenda angepasst werden sollte.[11]

 

 

 

[1] In Ermangelung einer spezialgesetzlichen Definition gilt dabei als Urkunde gemäß § 416 ZPO grundsätzlich jede Privaturkunde, dh jede in Schriftzeichen verkörperte Gedankenerklärung, vgl. Schütz MittBayNot 2022, 424 (425).

[2] Dabei ist eine Unterzeichnung der (Privat-)Urkunde – soweit das Gesetz aufgrund § 126 BGB im Einzelfall nichts Abweichendes anordnet – nicht konstitutiv, vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 34. Aufl. 2022, Vor § 415 Rn. 3, allerdings für deren Beweiskraft gemäß § 416 BGB zwingend erforderlich, siehe Schütz MittBayNot 2022, 424 (425).

[3] Dagegen Beckmann/Düsterbeck GmbHR 2022, 243 (245 f.); dafür Schütz MittBayNot 2022, 424 (425).

[4] Siehe zB Schütz MittBayNot 2022, 424 (425 ff.).

[5] Siehe nur BGH v. 21.6.2011 – II ZB 15/10, NZG 2011, 907. Näher dazu MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 39 Rn. 38

[6] So Schütz MittBayNot 2022, 424 (428).

[7] Siehe Krafka Registerrecht Rn. 151.

[8] KG v. 14.4.2022 – 22 W 36/22, BeckRS 2022, 23992 Tz. 7 = GWR 2022, 346 (Wüllrich).

[9] KG v. 14.4.2022 – 22 W 36/22, BeckRS 2022, 23992 Tz. 8 = GWR 2022, 346 (Wüllrich).

[10] Vgl. Beckmann/Düsterbeck GmbHR 2022, 243 (245): „Per E-Mail, DocuSign oder mittels Chatanbieter auf dem Smartphone abgegebene Stimmen allein sind daher kein tauglicher Nachweis i.S.d. § 39 Abs. 2 GmbHG. Dies kann man auch nicht dadurch umgehen, dass man etwa die per E-Mail abgegebenen Stimmen ausdruckt. Denn ein Ausdruck ist keine Urschrift einer Urkunde, sondern stellt nur eine Kopie dar. Damit verhindert § 39 Abs. 2 GmbHG, dass der Geschäftsführerbestellungsprozess vollständig digital erfolgen kann.“

[11] Beckmann/Düsterbeck GmbHR 2022, 243 (246 f.).

Mehr aus diesem Rechtsgebiet lesen

13.07.2023

Informationen

Fachlich verantwortlich

Dr. Simon Weiler Notar

Seminare im Fokus

Unten finden Sie eine Auswahl von Fortbildungen zum Rechtsgebiet Handels- und Gesellschaftsrecht. 

Alle Onlineseminare zu Handels- und Gesellschaftsrecht finden Sie hier

ARBER-Info

Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

FAQ

Fragen und Antworten