Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Haftung anderer als ärztlicher Leistungserbringer - Pflichten eines Hörgeräteakustikers

Nicht mehr im Bereich der Indikationsstellung, sondern vermeintlich allein der Versorgung führen Hörgeräteakustiker ihre Tätigkeit aus, die freilich vielfach der eines Arztes gleichkommt, soweit auch die Versorgung selbst mit spezifische und teils geräteindividuellen Hörtests, Anpassungen und weiteren Einwirkungen auf den Körper des Patienten einhergehen.

 

Der Fall:

 

Bei dem Kl. wurde nach einem 2014 erlittenen Hörsturz die Durchführung eines Hörtestes bei einem Hörgeräteakustiker angeordnet. In der Filiale der Bekl. zu 1) wurde sodann überprüft, ob eine Hörgeräteversorgung notwendig sei. Es wurde zunächst eine Aufnahme der sog. Luftleitung und Knochenleitung durchgeführt, anschließend die Unbehaglichkeitsschwelle gemessen. Bei letzterem Test, der bei jedem Kunden durchgeführt wird, ist es üblich, dass die Töne in kleinen Schritten von leise nach laut abgegeben werden, um festzustellen, wann diese als unangenehm empfunden werden, um später die Hörgeräte nicht zu laut einzustellen. Die Schritte sind dabei stets dieselben; dass ein Tonsignal von 120 db dabei getestet wird, ist nicht unüblich. Die Messungen wurden dokumentiert, eine plötzlich extreme Lautstärke ist nicht aufgezeichnet. Am selben Tag wurde zudem ein Sprachtest durchgeführt, bei dem der Kl. 80 – 90 % der Wörter erkennen konnte.

 

Der Kl. behauptet, es sei während des Hörtestes zu extrem lauten Geräuschen auf der linken und rechten Seite gekommen, die für ihn bis an die Schmerzgrenze gegangen seien. Nach dem Test habe er nahezu nichts mehr gehört.

 

Die Entscheidung des Gerichts:

 

Das OLG wies die gegen die Klageabweisung eingelegte Berufung des Kl. zurück, da eine pflichtwidrige Durchführung des im Streit stehenden Hörtestes nicht erwiesen sei; dabei könne offenbleiben, ob insoweit ein Dienst- oder ein Werkvertrag vorliegt:

 

„Die Sachverständige A hat deutlich gemacht, dass sich weder anhand der Aufzeichnungen über die Messung noch anhand der Schilderungen des Kl. über den Ablauf der Messung eine nicht fachgerechte Durchführung des Hörtests feststellen lässt […]. Es ist aus fachlicher Sicht - so die Sachverständige weiter - insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Kl. bei dem Hörtest zum Teil einer Lautstärke von 120dB ausgesetzt gewesen ist“.

 

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, das Landgericht habe zu Unrecht im unstreitigen Tatbestand festgehalten, dass die Töne bei dem Hörtest in kleinen Schritten von leise nach laut abgegeben wurden, gehe fehl, insoweit sei der Senat an die Feststellungen des LG gebunden, dass bei dem Hörtest die Lautstärke der Töne in kleinen Schritten von leise nach laut gesteigert worden sei. Es komme hinzu, dass die Sachverständige deutlich gemacht habe, dass es aus fachlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, dass der Kl. bei dem Hörtest zum Teil einer Lautstärke von 120dB ausgesetzt gewesen sei.

 

Auch die Rüge des Kl., aus dem Messprotokoll ergebe sich nicht die Reihenfolge der Tests, greife nicht durch: „Der Kl. vertritt insoweit die Ansicht, die „Folge der fehlenden Dokumentation“ sei „als unterlassene Befunderhebung“ zu werten […]. Diese schon sprachlich schwer verständliche These trifft nicht zu. Zunächst unterfallen Tätigkeiten von Angehörigen der gesundheitshandwerklichen Berufe nicht dem Anwendungsbereich der §§ 630a ff. BGB […]. Auf einen Vertrag zwischen einem Hörgeräteakustiker und einem Kunden finden die §§ 630a ff. BGB daher keine Anwendung. Daher kann der Kl. im Streitfall eine Beweiserleichterung weder aus § 630h Abs. 3 BGB noch aus § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB herleiten. Zudem traf die Bekl. auch keine Dokumentationsverpflichtung nach § 630f BGB. Auch eine analoge Anwendung dieser Normen kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, da sich der Gesetzgeber ganz bewusst dafür entschieden hat, mit den Sonderregeln der §§ 630a ff. BGB nur Behandlungen durch Angehörige der Heilberufe im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG sowie durch Heilpraktiker zu erfassen (s. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15.08.2012, BT-Drs. 17/10488, S. 18).“

 

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28.02.2022

Informationen

OLG Frankfurt a.M.
Urteil/Beschluss vom 10.12.2020
Aktenzeichen: 26 U 29/19

Fachlich verantwortlich

Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

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