Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Hinzuziehung von Sachverständigen aus anderem Fachgebiet

Immer wieder Anlass für Angriffe auf das Sachverständigengutachten gibt die Frage, aus welchem Fachgebiet der Sachverständige zu benennen. Ist dies nicht das Ursprungsfachgebiet, in dem die Behandlung durchgeführt wurde, kann die Hinzuziehung eines Arztes aus dem Ursprungsfachgebiet die fehlende Fachgebietszugehörigkeit eines fachfremd begutachtenden Sachverständigen nicht kompensieren.

 

Der Fall:

Der Kl. begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit zwei Operationen vom 27. und 28. März 2014. Das LG hat die Klage abgewiesen, da den Bekl. unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen kein Behandlungsfehler vorzuwerfen sei. Mit seiner Berufung bringt der Kl. vor, dem Sachverständigen habe die notwendige Sachkunde gefehlt. Erforderlich sei die Begutachtung durch einen Viszeralchirurgen gewesen. Dies habe der Sachverständige selbst mitgeteilt und auch im Rahmen seines Gutachtens nochmals darauf hingewiesen, dass die Operation nicht durch einen Gastroenterologen, sondern durch einen Abdominalchirurgen durchgeführt worden sei. Dennoch habe das LG an dem Sachverständigen festgehalten.

 

Die Entscheidung des Gerichts:

Die Berufung des Kl. blieb erfolglos.

Allerdings habe der Kl. zu Recht beanstandet, dass die Frage, ob den behandelnden Ärzten intraoperative Behandlungsfehler vorzuwerfen seien, nicht durch den Sachverständigen, der Facharzt für Innere Medizin sei, habe beantwortet werden können:

 

Die Auswahl des Sachverständigen stehe zwar grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Eine fehlerhafte Ermessensausübung liege jedoch vor, wenn das Gericht einen Sachverständigen aus einem falschen Sachgebiet auswähle: „Bei der Auswahl des Sachverständigen ist grundsätzlich auf die Sachkunde in dem medizinischen Fachgebiet abzustellen, in das der Eingriff fällt, wobei hierfür die fachärztlichen Weiterbildungsordnungen herangezogen werden können […]. Die Durchführung einer Operation im Zusammenhang mit einer chronischen Pankreatitis wird nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen [...] grundsätzlich nicht vom Gastroenterologen, sondern von Abdominialchirurgen vorgenommen. So ist es auch bei den streitgegenständlichen Operationen vom 27. bzw. 28. März 2014 ausweislich der Behandlungsunterlagen gewesen. Dementsprechend hat der Sachverständige in seinem Gutachten […] darauf hingewiesen, dass die Beantwortung der Fragestellung durch ihn lediglich aus gastroenterologischer Sicht erfolge und gegebenenfalls ein viszeralmedizinisches Teilgutachten eingeholt werden solle. Zwar hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme […] eine Oberärztin aus der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Jena für die Beurteilung der Operation vom 27. März 2014 hinzugezogen, dies genügte hier jedoch nicht, da der Gerichtssachverständige letztlich - wie aber erforderlich - die Verantwortung für die Beurteilungen der hinzugezogenen Oberärztin nicht übernehmen konnte, zumal die Weiterbildungsordnung für Fachärzte der Inneren Medizin die Durchführung derartiger operativer Eingriffe nicht zum Gegenstand hat“.

Unter Berücksichtigung des deshalb in der Berufungsinstanz eingeholten viszeralchirurgischen Sachverständigengutachtens sei dem Kl. der Beweis eines Behandlungsfehlers indes nicht gelungen.

 

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06.02.2024

Informationen

OLG Dresden
Urteil/Beschluss vom 27.06.2023
Aktenzeichen: 4 U 694/21

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