Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Sicherungsaufklärung - 1. Hinweis auf Wiedervorstellung bei Beschwerden

Fehler im Bereich der Sicherungsaufklärung – näher am Wortlaut, aber weniger plastisch: Sicherungsinformation – sind nicht nur im Hinblick auf die Beweislast von Aufklärungsfehlern abzugrenzen, sondern ebenso von Befunderhebungsfehlern. Die folgenden Fälle illustrieren insoweit einmal mehr nicht nur, wie facettenreich das Anwendungsgebiet dieser Aufklärung ist, sondern wie präzise auch die mit ihr verbundene Beweislastverteilung zu betrachten ist.

 

1. Hinweis auf Wiedervorstellung bei Beschwerden

Der Fall:

Der Kl. verlangt Schadensersatz nach Entfernung der Gallenblase. Ein hierbei gelegter Stent wurde bei einer Kontrolluntersuchung wenige Monate später nicht mehr aufgefunden. Die Bekl. vermutet einen spontanen Abgang und entlässt den Kl. am Folgetag. Ein weiterer Kontrolltermin wurde hierbei nicht vereinbart. Als der Kl. zwei Monate später wegen Unterleibsbeschwerden bildgebenden Untersuchungen – mit Ausnahme eines CT – unterzogen wird, zeigt sich eine Dünndarmperforation, in deren Folge er sich weiteren acht Operationen unterziehen muss. Er behauptet, sich bei entsprechend eindringlicher Information bereits früher wegen seiner Beschwerden vorgestellt zu haben. Eine dann pflichtgemäße CT-Untersuchung hätte einen reaktionspflichtigen Befund gezeigt, der bei adäquatem Handeln die jetzigen Folgen hätte vermeiden lassen.

 

Das LG weist die Klage ab, da der Hinweis auf eine Wiedervorstellung gegenüber der Hausärztin erfolgt und eine unterbliebene Information gegenüber dem Kl. nicht erwiesen sei.

 

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG stellt zunächst klar, dass zur Sicherungsaufklärung auch die Verpflichtung des Arztes zähle, den Patienten über die Dringlichkeit etwa erforderlicher ärztlicher Maßnahmen in Kenntnis zu setzen und ihn auf die mit ihrem Unterbleiben verbundenen Risiken hinzuweisen. Versäumnisse auf diesem Gebiet seien Behandlungsfehler und deshalb grundsätzlich vom Patienten zu beweisen. Vorliegend gehe der Senat von einer Informationspflicht im Hinblick auf das Abgehen des Stents und des damit einhergehenden Erfordernisses der unverzüglichen Wiedervorstellung für den Fall des Eintritts von Beschwerden auch aus: „Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Sachverständige […] in erster Instanz in seinem Gutachten vom 28.09.2022 ausführte, dislozierte Plastikstents würden nicht selten, sogar in mehr als 90 % aller Fälle ohne Probleme den Körper auf natürliche Weise und ohne Probleme verlassen. Jedoch führt auch die geringe Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Stent im Körper verbleibt, nicht dazu, dass hierüber nicht zu informieren wäre. Da ein dislozierter Stent im Körper Komplikationen verursachen kann, hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Information nicht nur über bei Auftreten von Beschwerden gebotene Wiedervorstellung, sondern konkret auch eine Information über die Möglichkeit einer Spontandislokation des Stents erforderlich ist“.

 

Dementsprechend habe die Beklagte aber auch sowohl die Tatsache der Dislokation des Stents als auch die Empfehlung der Wiedervorstellung bei erneut auftretenden Beschwerden schriftlich niedergelegt, und zwar in dem an die behandelnde Hausärztin gerichteten Entlassungsbrief. Ob hiernach davon auszugehen sei, dass die Beklagte hiermit bereits ihre Pflicht zur therapeutischen Information gegenüber dem Kläger erfüllt habe, weil davon auszugehen sei, dass sich ein multimorbider Patient wie der Kl. ohnehin regelmäßig in kürzeren Intervallen bei seiner behandelnden Hausärztin vorstelle und von dieser informiert werde, oder etwa weil es der Gepflogenheit entspreche, den Entlassungsbrief sowohl an den behandelnden Hausarzt zu senden als auch dem zu entlassenden Patienten persönlich auszuhändigen, könne indessen offen bleiben:

 

„Der Kläger hat nämlich eine Verletzung dieser Pflicht durch die Ärzte der Beklagten, d.h. die unterlassene therapeutische Information ihm persönlich gegenüber, nicht nachgewiesen. Wie bereits ausgeführt handelt es sich bei der Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Information um den Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Aus diesem Grund zählt die Pflicht zur therapeutischen Information nicht zu den in § 630e BGB genannten Aufklärungspflichten, deren Einhaltung nach § 630 f BGB zu dokumentieren wäre [...]. Dass eine solche Information nicht dokumentiert ist, führt daher nicht zu einer Beweislastumkehr nach § 630 h Abs. 3 BGB [...]. Die Klägerseite hat in zweiter Instanz keinen Beweis mehr für ihre Behauptung der nicht erfolgten therapeutischen Information angeboten. Das Beweisangebot in erster Instanz durch Parteieinvernahme des Kl. hat sie in der Berufung nicht wiederholt, sondern mitgeteilt, dass der Kl. inzwischen ‚verwirrt‘ sei, weshalb dieser Beweis nicht mehr angeboten werden könne“.

 

Im Ergebnis sei dem Kl. damit der ihm obliegende Nachweis einer Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung nicht gelungen. In der Folge sei auch der hieran anknüpfenden Behauptung nicht nachzugehen, er habe sich infolge der unterbliebenen Information nicht bereits früher bei der Bekl. vorgestellt.

 

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04.12.2023

Informationen

OLG Dresden
Urteil/Beschluss vom 25.07.2023
Aktenzeichen: 4 U 659/23

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