Die während der Corona-Krise auf einer Vertreterversammlung ohne Möglichkeit persönlicher Teilnahme gefassten Beschlüsse sind nicht nichtig. Zwar setzt eine Eigentümerversammlung grundsätzlich ein physisches Zusammentreffen der Wohnungseigentümer voraus. Eine Eigentümerversammlung ohne Teilnahmemöglichkeit sah das WEG zur Zeit der Beschlussfassung auch unter dem Einfluss der Corona-Krise nicht vor.
Ebenso wenig bestand eine Pflicht, die Verwalterin zur Teilnahme und Stimmabgabe in der Eigentümerversammlung zu bevollmächtigen. Deshalb entsprach die Beschlussfassung in einer Vertreterversammlung ohne Möglichkeit persönlicher Teilnahme nicht den Vorgaben des WEG. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um inhaltliche, sondern um formelle Mängel, die grundsätzlich nur zur Anfechtbarkeit führen.
Überdies konnten die Wohnungseigentümer im vorliegenden Fall für die Stimmabgabe konkrete Weisungen erteilen. Einer der Ausnahmefälle, in denen das Mitwirkungsrecht in böswilliger Absicht ausgehebelt werden soll, liegt bei der Durchführung von Vertreterversammlungen während der Corona-Krise nicht vor. Vielmehr befand sich die Verwalterin in einer unauflöslichen Konfliktsituation, da sie nur die Wahl hatte, entweder die Corona-Schutzvorschriften oder die Vorgaben des WEG zu verletzen.
Darüber hinaus lag es auch nicht im Interesse der Wohnungseigentümer, während der Corona-Krise auf eine Eigentümerversammlung zu verzichten. Der Verstoß gegen die Vorgaben des WEG war daher nicht so schwer, dass die angegriffenen Beschlüsse der Nichtigkeit verfallen müssten.
Praxishinweis
Der BGH hatte hier nur Nichtigkeitsgründe zu prüfen, da die Klage zunächst gegen die Wohnungseigentümer gerichtet wurde. Erstaunlicherweise hält der BGH diese Klage gegen die Wohnungseigentümer für unzulässig, obwohl dass Fehlen der Passivlegitimation nach herkömmlicher Ansicht dazu führt, dass eine Klage unbegründet ist. Offen bleibt, wie bei Einhaltung der Anfechtungsfrist zu entscheiden gewesen wäre. In einer unauflösbaren Konfliktsituation dürfte selbst eine Anfechtbarkeit in Zweifel zu ziehen sein. Dies um so mehr, als der BGH ausdrücklich ein Handeln im Interesse der Wohnungseigentümer attestiert.
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