Wohnungseigentumsrecht - Materiell- und prozessrechtliche Bedeutung inhaltsgleicher Zweitbeschlüsse

Die gerichtliche Ungültigerklärung eines Beschusses aus inhaltlichen Gründen erfasst nur diesen Beschluss, bleibt aber ohne Auswirkung auf einen später gefassten inhaltsgleichen Zweitbeschluss. Denn die Rechtskraft erstreckt sich nur auf den konkreten Beschluss, der Gegenstand der Anfechtungsklage ist. Den Wohnungseigentümern ist es auch nicht grundsätzlich verwehrt, nach der vorangegangenen Ungültigerklärung einen inhaltsgleichen Zweitbeschluss zu fassen. Entscheidend ist alleine, dass dieser für sich einwandfrei ist. Wie vor diesem Hintergrund inhaltsgleiche Zweitbeschlüsse zu behandeln sind, wenn der Erstbeschluss aufgrund materieller Mängel für ungültig erklärt wurde, ist umstritten. Der BGH folgt der Auffassung, wonach ein inhaltsgleicher Zweitbeschluss nach Ungültigerklärung des Erstbeschlusses aus inhaltlichen Gründen nur dann gefasst werden darf, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Ansonsten würde der mit der (erfolgreichen) Anfechtungsklage bezweckte Minderheitenschutz unterlaufen. Derartige besonderen Umstände liegen vor, wenn der materielle Fehler bei dem Zweitbeschluss nicht mehr vorliegt. Dies kann etwa bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Fall sein, oder auch dann, wenn zuvor fehlende Angebote eingeholt wurden. Dies führt zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast.

 

Nach Ungültigerklärung des Erstbeschlusses aus inhaltlichen Gründen hat nunmehr die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) besondere Umstände vorzutragen, die eine inhaltsgleiche Zweitbeschlussfassung gestatteten. Tut sie dies nicht, ist der Beschluss für ungültig zu erklären. Nichtig ist der inhaltsgleiche Zweitbeschluss dagegen nur bei evidenter Rechtsmissbräuchlichkeit, die etwa dann in Betracht kommt, wenn er alleine dem Ziel dient, die Minderheit zu zermürben.

Praxistipp:

Der in der Entscheidung als Ziel der Rechtsprechung thematisierte Minderheitenschutz ist nicht sonderlich stark. Dem im Anfechtungsprozess siegreichen Gegner einer Beschlussfassung bleibt wenig von diesem Erfolg. Er muss nach wie vor jeden inhaltsgleichen Zweitbeschluss anfechten. Unklar bleiben auch die Voraussetzungen der Nichtigkeit, da der Begriff der evidenten Rechtsmissbräuchlichkeit kaum subsumtionsfähig erscheint.

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06.10.2023

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 10.02.2023
Aktenzeichen: V ZR 246/21

Fachlich verantwortlich

Dr. Dr. Andrik Abramenko RiLG

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