Dr. Olaf Schermann FA f. ErbR
Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig, vielmehr können Form und Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden; an den Nachweis sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Die Feststellungslast für die Existenz und den Inhalt eines Testaments trägt die Person, die sich auf das Testament beruft; Zweifel gehen zu ihren Lasten.
Gemäß § 352 Abs. 3 S. 1 FamFG ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Ist die Urkunde nicht mehr auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden oder verloren gegangen ist. Insbesondere besteht auch keine tatsächliche Vermutung und kein Erfahrungssatz dafür, dass es gemäß § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist (KG, ErbR 2022, 233; OLG München, NJW-RR 2020, 390; OLG Düsseldorf, ErbR 2020, 59; OLG Köln, NJW-RR 2019, 71; Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2255 Rn. 8). Eine Kopie kann als Nachweis für die formgerechte Errichtung und den Inhalt des Originaltestamentes ausreichen (OLG Hamburg, ZEV 2019, 175; OLG Köln, FamRZ 2017, 1164). Die Amtsermittlungspflicht erfordert in diesem Fall jedoch eine besonders gründliche Aufklärung der Übereinstimmung der Kopie mit dem verschwundenen Original. Hierfür ist regelmäßig eine förmliche Beweisaufnahme („Strengbeweis“) durch Vernehmung der benannten Zeugen erforderlich (OLG Karlsruhe, FamRZ 2016, 1007).
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