Dirk Both RiOLG

Wohnraummietrecht - Zustimmung des Vermieters zum Mieterwechsel in der Wohngemeinschaft

Problemstellung

   

Mehr und mehr werden in Anbetracht des hohen Mietenniveaus Wohngemeinschaften gebildet. Für Studenten ist dies häufig der einzige Weg am Studienort zu bezahlbarem Wohnraum zu gelangen, da zumeist ausreichend Plätze in Studentenwohnheimen nicht vorhanden sind. Die Bildung von Wohngemeinschaften ist aber keine Besonderheit der Studentenschaft. Da kleine Wohnungen am Markt zumeist schwer und für eine hohe Miete zu haben sind, schließen sich auch sonst Personen zu einer Wohngemeinschaft zusammen, um so das Angebot großer Wohnungen nutzen zu können. Ebenso finden sich Wohngemeinschaften älterer Menschen mit gleichen Interessenkreisen. Schließlich finden sich Menschen, die offene Lebensformen ausleben möchten, und sich hierzu in größeren Immobilien zu Wohngemeinschaften zusammenschließen.       

  

Teilweise kann dies in von der Gemeinschaft angeschafften Immobilien erfolgen. Der wohl häufigere Fall ist es aber, dass eine aus mehreren Personen bestehende Wohngemeinschaft passenden Wohnraum anmietet. Nun stellt sich aber die Frage, wie im Vermietungsfall zu verfahren ist, wenn ein oder mehrere Mitglieder der Wohngemeinschaft ausscheiden wollen, weil sie etwa ihr Studium beendet oder den Studienort gewechselt haben oder berufliche Veränderungen sie hierzu veranlasst und stattdessen neue Mieter in die Wohngemeinschaft einrücken sollen.

   

Nun könnte der bisherige Mitmieter einen Untermietvertrag mit dem neuen Mieter schließen. Hierzu braucht er zwar die Zustimmung des Vermieters gemäß § 540 Abs. 1 BGB. Allerdings kann dieser gemäß § 553 BGB zur Erteilung derselben verpflichtet sein. Der ausscheidende Mieter bleibt in diesem Fall in der mietvertraglichen Verantwortung, was in der Regel seinem Interesse nicht entsprechen wird.

  

Da der Mieterwechsel ansonsten stets einer Vereinbarung zwischen Vermieter, altem Mieter und neuem Mieter bedarf, stellt sich die Frage, ob der Vermieter einer solchen Vereinbarung zustimmen muss.

  

Die Parteien können dieses Problem lösen, indem bereits im ursprünglichen Mietvertrag oder einer Nachtragsvereinbarung eine Verpflichtung des Vermieters geregelt wird, einem solchen Mieterwechsel zuzustimmen. Ebenso kann er im Mietvertrag bereits seine generelle Einwilligung hierzu erklären.

  

Haben die Parteien eine solche Regelung im Vertrag aber nicht getroffen, findet sich auch im Gesetz eine Regelung hierzu nicht. Es bleibt dann nur der Weg, durch Auslegung des Mietvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, ob eine solche Zustimmungspflicht oder antizipierte Einwilligung des beiderseitigen Willens der Vertragsparteien bei Vertragsschluss entsprochen hat. Rechtsprechung und Literatur sind hiermit in der Vergangenheit recht unterschiedlich umgegangen, haben aber zu generalisierenden Beispielgruppen geneigt.

     

  

Die aktuelle BGH-Entscheidung

 

Der BGH hatte sich in diesem Jahr mit der Frage zu befassen, wann der Vermieter einem solchen Mieterwechsel zustimmen muss (BGH, Urt. v. 27.04.2022, VIII ZR 304/21, WuM 2022, 403). Er hat in dieser Entscheidung den Grundsatz bestätigt, dass dies anhand einer Vertragsauslegung zu ermitteln ist. Der Bildung generalisierender Fallgruppen hat er allerdings eine Absage erteilt. Vielmehr ist die Vertragsauslegung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles durch den Tatrichter vorzunehmen. Dem Mieterberater hat er damit nicht viel Brauchbares an die Hand gegeben, kennt er die abwägende Wertung des Richters bei Beratung etwa des Mieters, der ausscheiden möchte, nicht. Bei der Vertragsauslegung – so der BGH weiter – sind die zumeist gegenläufigen Interessen von Mieter, neuem Mieter und Vermieter gegen einander abzuwägen. Allein derartige Erwägungen können auch schon in der Beratungstätigkeit behilflich sein.

   

Auf Seiten des ausscheidenden Mieters hat der BGH das Interesse gesehen, ohne Kündigungsfrist aus dem Vertrag ausscheiden zu können und mit den möglichen Schwierigkeiten einer Untervermietung nicht mehr konfrontiert zu sein. In der Regel möchte er sich umgehend aus der vertraglichen Mithaftung lösen. Einerseits sei diesen Interessen durch die kurze Kündigungsfrist des § 573c BGB genügt. Anderseits bliebe ihm die Möglichkeit der Untervermietung an den „Neumieter“, die ihm in Abwägung der gegenseitigen Interessen zuzumuten sei. Zudem würde eine vereinbarte Zustimmungspflicht oder antizipierte Einwilligung den alten Mietern die Möglichkeit eröffnen, völlig unkompliziert nacheinander oder gleichzeitig im Austausch gegen neue Mieter zu verlassen und ihre wirtschaftliche Flexibilität erheblich steigern. 

    

Auf Seiten des Neumieters hat den BGH den Vorzug gesehen, bei bereits längere Zeit bestehenden Mietverhältnisses von den verlängerten Kündigungsfristen für den Vermieter zu profitieren. Ebenso sei er von einer erheblichen Mieterhöhung im Falle einer Neuanmietung nicht betroffen. Zudem komme er in den Genuss der nur eingeschränkten Mieterhöhungsmöglichkeiten der §§ 558 ff. BGB.

   

Der BGH räumt aber auch ein, dass auch auf Seiten des Vermieters im Falle der Vermietung an mehre Mieter als Wohngemeinschaft ein Interesse bestehen kann, dass der ausscheidende Mieter selbst für einen neuen Mieter sorgt. Dies aber könne nicht ohne konkrete Anhaltspunkte für ein solches Interesse angenommen werden. Für den Vermieter kann sich im Fall des Mieterwechsels das Risiko eines Gesamtinsolvenzrisikos trotz gesamtschuldnerischer Haftung erhöhen. Die Möglichkeit einer Neuvermietung oder anderweitigen Nutzung der Wohnung wird erheblich eingeschränkt. Vielmehr bleibt der Vermieter bei Auslegung des Vertrages dahin, dass eine Zustimmungspflicht oder antizipierte Einwilligung vereinbart worden sei, auf lange Zeit an den Vertrag gebunden, auch wenn die Ursprungsmieter überhaupt nicht mehr Vertragspartner sind. Hierdurch wird natürlich auch die Möglichkeit einer Erzielung einer höheren Miete bei Neuabschlüssen reduziert. Bei einem ständigen Wechsel der Mieter wird dem Vermieter auch die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bei Beschädigungen der Mietsache erschwert. Zudem begibt er sich seines Rechtes zur freien Mieterauswahl.

   

Die Auslegung des Vertrages hin zu einer Zustimmungspflicht oder antizipierten Einwilligung kommt jedoch in Betracht, wenn sowohl die Mieter als auch der Vermieter bei Vertragsschluss ersichtlich davon ausgingen, dass sich häufig und in kurzen Zeitabständen ein Bedarf für eine Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ergeben kann, weil die Mieter voraussichtlich auf Grund ihrer persönlichen Lebensumstände bereits bei Vertragsschluss absehbar nur für einen kurzen Zeitraum an dem jeweiligen Ort leben werden und eine vertragliche Bindung über diesen Zeitraum hinaus nicht eingehen wollen. Das kann insbesondere bei Studenten der Fall sein. Dies setzt indes voraus, dass dem Vermieter diese Umstände vor Vertragsschluss bekannt sind und er sich bewusst und ohne Vorbehalt in Kenntnis der voraussichtlich zu erwartenden Fluktuation zu einem Mietvertrag mit mehreren derartigen Mietern entscheidet. In dieser Konstellation wird es regelmäßig dem durch eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung ermittelten Willen der Vertragsparteien entsprechen, dass den Mietern ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel zustehen soll. Dieser steht in aller Regel in Anlehnung an die Kriterien des § 553 Abs. 1 BGB unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit für den Vermieter.

       

  

Anderweitige mögliche Vertragsgestaltungen

  

Diese Grundsätze gelten zunächst einmal dann, wenn die Wohnung an mehrere einzelne Mieter vermietet ist, die eine Wohngemeinschaft bilden. Gleichwohl ist mit jedem von ihnen ein Mietvertrag geschlossen.

  

Anderes gilt dann, wenn ein einziger Hauptmieter die Wohnung anmietet und sodann mit weiteren Personen Untermietverträge schließt. Diese Lösung greift jedoch nur, wenn die Voraussetzungen des § 553 BGB vorliegen, weil nur dann der Vermieter zur Erteilung der Untermieterlaubnis verpflichtet ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, weil beispielsweise der Hauptmieter selbst aus der Wohnung ausgezogen ist, ist er für eine Untervermietung wieder uneingeschränkt an die Zustimmung des Vermieters, zu deren Erteilung ohne vertragliche Vereinbarung nicht verpflichtet ist, gebunden.

  

Weiter bleibt die Möglichkeit, dass sich die Mitbewohner zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließen und im Namen der Gesellschaft den Vertrag schließen. Dann kann das Ziel eines Mieterwechsels durch einen Gesellschafterwechsel erreicht werden. Es ist aber zu beachten, dass der Mietvertrag für diesen Fall keine anderweitigen Regelungen trifft.

 

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22.02.2023

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