Wohnungseigentumsrecht - Beschluss privilegierter baulicher Veränderungen

Die Klage auf Ersetzung eines Beschlusses über eine bauliche Veränderung setzt nicht voraus, dass nur eine Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Es genügt, wenn die Voraussetzungen eines Grundbeschlusses vorliegen. Dies ist zu bejahen, wenn aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG Anspruch auf eine Beschlussfassung besteht. Dem steht nicht entgegen, dass eine bauliche Veränderung nur einzelnen, nämlich den bau- und zahlungswilligen Wohnungseigentümern zur Verfügung stehen soll. Denn die alleinige Nutzungsbefugnis ist nunmehr regelmäßige Folge der Kosten- und Nutzungsregelungen in § 21 WEG. Für die Privilegierung aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG bedarf es auch keiner eigenen Behinderung des Anspruchstellers. Denn die dort aufgeführten baulichen Veränderungen tragen einem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis Rechnung. Eine nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG aufgeführte Maßnahme ist regelmäßig auch nicht unangemessen im Sinne dieser Vorschrift. 

 

Dies kommt nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht, in denen die Nachteile einer baulichen Veränderung deren Vorteile überwiegen, wobei es auf die Gesamtheit der Wohnungseigentümer ankommt. Die Kosten einer baulichen Veränderung sind dabei grundsätzlich außer Betracht zu lassen. Denn sie sind gemäß § 21 Abs. 1 WEG von dem Wohnungseigentümer zu tragen, der die Maßnahme verlangt, was auch die Folgekosten umfasst. Für den Nachweis der Angemessenheit gelten die Grundsätze der sekundären Beweislast: Danach hat zwar der Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung verlangt, das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Unangemessenheit zu beweisen. Er muss aber nur solche Umstände widerlegen, die nach dem Vortrag der GdWE eine Unangemessenheit indizieren. In diesem Rahmen nicht zu prüfen ist die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit. Denn sie ist keine Frage der Angemessenheit, sondern eine solche ordnungsmäßiger Verwaltung. 

 

Zudem spielt sie für den Grundlagenbeschluss regelmäßig noch keine Rolle, da sie erst bei der konkreten Ausführung der Maßnahme zum Tragen kommt, über die die Eigentümerversammlung zu befinden hat. Eine andere Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn von vorneherein feststeht, dass das Begehren in jedem Fall und in jeglicher Ausführung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Ebenso wenig stellen Maßnahmen, die einem privilegierten Zweck nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG dienen, eine grundlegende Umgestaltung oder eine unbillige Benachteiligung von Miteigentümern vor. 

 

Dabei sind wiederum die Wertungen der §§ 20, 21 WEG zu berücksichtigen, also insbesondere die Privilegierung nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG und der Umstand, dass das Gesetz den Ausschluss überstimmter Wohnungseigentümer von dem umgestalteten Gemeinschaftseigentum vorsieht.

Praxistipp

Die lehrbuchartige Entscheidung klärt zahlreiche offene Fragen zur durchgreifenden Neukodifizierung der baulichen Veränderung. Dies betrifft insbesondere das Verhältnis von Privilegierung nach § 20 Abs. 2 WEG und der Angemessenheit einer baulichen Veränderung, die Darlegungs- und Beweislast für ihre Angemessenheit und die Ausschlusstatbestände der grundlegenden Umgestaltung und der unbilligen Beeinträchtigung. Zudem bestätigt der BGH, dass die Privilegierung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG keine eigene Behinderung des Wohnungseigentümers voraussetzt, der die bauliche Maßnahme verlangt.

Mehr aus diesem Rechtsgebiet lesen

17.02.2025

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 09.02.2024
Aktenzeichen: V ZR 244/22

Quelle

MietRB 2022, 2620=IMR 2022, 411

Fachlich verantwortlich

Dr. Dr. Andrik Abramenko RiLG

Seminare im Fokus

Unten finden Sie eine Auswahl von Fortbildungen zum Rechtsgebiet Miet- und Wohnungseigentumsrecht. 

Alle Onlineseminare zu Miet- und Wohnungseigentumsrecht finden Sie hier

ARBER-Info

Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

FAQ

Fragen und Antworten