Wohnungseigentumsrecht - Gewährleistung beim Kauf von (gebrauchtem) Wohnungseigentum

Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf die Rechte der Wohnungseigentümer aus den Erwerbsverträgen auch nach dem WEMoG nicht kraft Gesetzes ausüben. Zwar wird teilweise vertreten, dass die Vergemeinschaftung durch Mehrheitsbeschluss nunmehr nicht mehr erforderlich sei, da die Ausübung der Mängelrechte schon kraft Gesetzes (§ 9a Abs. 2 WEG) der Wohnungseigentümergemeinschaft zustehe (etwa BeckOGK/FalknerWEG § 9a Rn. 238; Jennißen/Abramenko, 7. Aufl. § 9a Rn. 89 u. 93).

 

Nach überwiegender Auffassung ist aber durch die Regelung in § 9a Abs. 2 WEG keine Veränderung der Rechtslage eingetreten (etwa Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. § 9a Rn. 124 u. 135a; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021 Kap 3 Rn. 140). Diese Auffassung trifft zu. Denn jedenfalls die primären Mängelrechte ergeben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum gemäß § 9a Abs. 2 WEG, sondern aus dem jeweiligen Erwerbsvertrag. Ihre Geltendmachung erfordert auch keine einheitliche Rechtsverfolgung, da die Ansprüche der einzelnen Erwerber jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum zielen.

 

Denn der Anspruch aus § 439 BGB beim Kauf einer gebrauchten Eigentumswohnung ist nicht nur auf einen Freistellungsanspruch von den Mängelbeseitigungskosten in Höhe des Miteigentumsanteils, sondern auf volle Nacherfüllung, gerichtet. Zudem soll nach der Gesetzesbegründung die bisherige Rechtsprechung zum Bauträgerrecht beibehalten werden. Damit bleibt es dabei, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche zwar nicht kraft Gesetzes, wohl aber aufgrund einer Vergemeinschaftung durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen kann. Die Beschlusskompetenz hierfür folgt nunmehr aus §§ 18 Abs. 1,

19 Abs. 2 Nr. 2 WEG.

Praxistipp:

Hinsichtlich der Prozessführungsbefugnis bedarf die Entscheidung in der künftigen Rechtsprechung sicher noch der Nachjustierung. Denn nach dem WEMoG kann auch im Rahmen der Gewährleistung des teilenden Eigentümers nicht alles beim Alten bleiben. Dies folgt schon aus der vorverlagerten Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher gemäß § 9a Abs. 1 S. 2 WEG. Denn zu dieser Zeit gehören dem teilenden Eigentümer noch alle Einheiten. Als Eigentümer aller Einheiten ist er aber gemäß § 9b Abs. 1 S. 2 WEG-Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft. Da nach bisheriger Rechtsprechung deren Kenntnis bei der Durchsetzung vergemeinschafteter Ansprüche den Wohnungseigentümern zugerechnet wird (BGH v. 4.7.2014-V ZR 183/13; ZWE 2014, 398, 399 f.), haben somit alle Erwerber Kenntnis der Mängel, die dem teilenden Eigentümer bekannt sind.

 

Folglich wären sie über § 640 Abs. 2 BGB mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen ausgeschlossen. Noch dramatischer mutet es an, dass der BGH beim Verkauf gebrauchter Eigentumswohnungen ohne Einschränkungen einen Anspruch auf volle Herstellung des Gemeinschaftseigentums bejaht, sofern kein wirksamer Haftungsausschluss vereinbart wurde. Damit weicht er von seiner früheren Rechtsprechung ab, wonach der Käufer kraft Gesetzes eben keinen „vollen“ Anspruch auf Beseitigung aller Mängel am Gemeinschaftseigentum, sondern nur einen quotalen Ausgleichsanspruch in Höhe seines Miteigentumsanteils haben sollte (so BGH, Urteil v. 24.7.2015-V ZR 167/14; ZMR 2015, 951).

 

Diese Neueinschätzung kann für den Verkäufer einer gebrauchten Wohnung dramatische Folgen haben. Besteht ein Anspruch auf Beseitigung aller Mängel des Gemeinschaftseigentums kraft Gesetzes, muss auch der Verkäufer einer einzelnen Wohnung damit rechnen, für das gesamte Gemeinschaftseigentum in Anspruch genommen zu werden. Zur Vermeidung dieses untragbaren Ergebnisses muss die notarielle Praxis unbedingt darauf achten, einen umfassenden Gewährleistungsausschluss in jeden Kaufvertrag aufzunehmen. Zudem sollte der Verkäufer noch eindringlicher als bisher vor einem Verschweigen relevanter Tatsachen gewarnt werden.

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04.04.2023

Informationen

BGH
Urteil/Beschluss vom 11.11.2022
Aktenzeichen: V ZR 213/21

Fachlich verantwortlich

Dr. Dr. Andrik Abramenko RiLG

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