Immer wieder zu Kontroversen führt der Verjährungsbeginn bei verweigerter Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren der Landesärztekammer. Wie der folgende Fall zeigt, ist dabei zwischen den eng beieinander liegenden und potentiell relevanten Zeitpunkten im Einzelnen – Eingang des Verweigerungschreibens, Erstellung des Übersendungsschreibens der Ärztekammer, dessen Postversand und Zugang beim Anspruchssteller – geradezu pingelig zu unterscheiden.
Der Kl. nimmt die Bekl. auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung zwischen dem 27.10. und 7.11.2018 in Anspruch.
Mit Schreiben vom 17.11.2020, bei der Schlichtungsstelle der Ärztekammer eingegangen am 23.11.2020, hat der Kl. ein Schlichtungsverfahren u.a. gegen die Bekl. beantragt; der Antrag ist der Bekl. am 14.12.2020 zugegangen. Mit Schreiben vom 13.1.2021 lehnte diese ihre Teilnahme am Schlichtungsverfahren ab, was dem Kl. mit Schreiben der Schlichtungsstelle vom 15.1.2021 mitgeteilt wurde.
Unter dem 28.8.2023, am gleichen Tage bei Gericht eingegangen und am 05.10.2023 der Bekl. zugestellt, hat der Kl. Klage erhoben. Mit Blick auf die von der Bekl. erhobenen Einrede der Verjährung hat er bestritten, dass jenes Schreiben, mit welchem die Schlichtungsstelle mitgeteilt habe, dass die Bekl. sich auf ein Schlichtungsverfahren nicht einlasse, bereits am 15.01.2021 in den Postausgang gelangt sei; dies könne in gleicher Weise spätestens am Dienstag, den 19.01.2021 geschehen sein, weil es ihm am 20.01.2021 zugegangen sei. Für das Ende der Hemmung komme es aber nicht auf das Datum des Schreibens an, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem es in den Postausgang bei der Schlichtungsstelle gelangt sei. Ddies ergebe sich bereits aus der Auslegung des in Begriffs „Veranlassung der Bekanntgabe“. Denn dies bedeute, dass der Erklärende alles in seiner Macht Stehende getan haben müsse, um die Bekanntgabe zu bewirken.
Dieser Argumentation ist das OLG nicht gefolgt, sondern dem LG beigetreten, wonach maßgeblich für die Bestimmung des Hemmungsendes das Datum des Abschlussschreibens der Schlichtungsstelle sei:
„Die Verjährungsfrist hat begonnen mit Ablauf des 31.12.2019. Verjährung wäre ohne Hemmung eingetreten mit Ablauf des 31.12.2022. Die erst am 28.08.2023 erhobene Klage wäre ohne Hemmung erkennbar zu spät erhoben, um eine weitere Hemmung nach § 204 BGB Abs.1 Nr.1 BGB noch herbeiführen zu können.
Das Schlichtungsverfahren, das der Kl. zeitweilig vor der seinerzeit gemeinsamen Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammern betrieben hat, hat zwar gemäß § 204 Abs.1 Nr.4 lit b BGB zu einer zeitweiligen Hemmung in unverjährter Zeit geführt. Allerdings hat die Hemmung nur 55 Tage und nicht 58 Tage angedauert, was unter Einschluss der 6-Monatsfrist des § 204 Abs.3 BGB zum Eintritt der Verjährung mit Ablauf des 24.08.2023 führt, so dass trotz der zwischenzeitlichen Hemmung die Klage am 28.08.2023 zu spät erhoben ist, als dass sie mit Blick auf die Verjährungsfrist noch Wirkung hätte entfalten können.“
Zwar sei es richtig, dass etwas Anderes gölte, wenn die Hemmung, wie der Kl. geltend macht, erst nach 58 Tagen geendet hätte, weil in diesem Fall das Ende der Hemmung erst mit Ablauf des 28.08.2023 eingetreten wäre, da der 27.08.2023 ein Sonntag war (§ 222 Abs.2 ZPO) und der Kl. für sich die Vorwirkung des § 167 ZPO in Anspruch hätte nehmen können. Die Hemmung habe allerdings bereits mit Ablauf des 15.01.2021 und nicht erst mit Verstreichen des 19.01.2021 ihr Ende gefunden, weil bereits am 15.01.2021 die Bekanntgabe, dass die Bekl. sich auf das Schlichtungsverfahren nicht einlassen wollte, veranlasst worden sei, was analog § 204 BGB Abs.1 Nr.4 lit b die Hemmung beende:
„Dabei ist aus Sicht des Senates maßgeblich, dass am 15.01.2021 der Sachbearbeiter der Schlichtungsstelle das entsprechende Schreiben verfasst und sich dessen mit dem Ziel der Übermittlung an die Bekl. entäußert hat. Demgegenüber ist es unerheblich, wann das Schreiben tatsächlich die Poststelle der Schlichtungsstelle erreicht hat oder gar, wann es einem Zustelldienst übergeben worden ist. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung NJW 2016, 236 (237) überzeugend ausgeführt, dass und warum für die Berechnung des Endes der Hemmung sinnvollerweise auf jenen Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem die Mitteilung vom Scheitern der Schlichtung veranlasst ist. Wenn es, wie hier, um die Mitteilung geht, dass sich ein Gegner auf das Verfahren nicht einlassen will und deshalb das Schlichtungsverfahren insoweit nicht durchgeführt wird, ist regelmäßig das Datum jenes Schreibens maßgeblich, denn mit Zeichnung dieses Schreibens veranlasst der verantwortliche Entscheidungsträger der Schlichtungsstelle regelmäßig die Mitteilung, dass die Schlichtung gescheitert ist.“
Gegen den Standpunkt, dass in dieser Konstellation vielmehr maßgeblich sei, wann das Schriftstück tatsächlich in den Postausgang gelangt sei, spreche bereits der Wortlaut des § 204 Abs.1 Ziff.4, denn veranlassen bedeute lediglich, dass ein Kausalverlauf final in Gang gesetzt werde, nicht dass er auch vollendet sein müsse. Die finale Entscheidung treffe indessen der Sachbearbeiter, nicht etwaige nachgeordnete ausführende Organe:
„Das Datum des entsprechenden Schreibens gibt regelmäßig auch das Datum der entsprechenden Entscheidung wieder. Es entspricht gerichtsbekannt allgemeiner Verwaltungspraxis, dass das Datum regelmäßig die Zeichnung des Entscheidungsträgers markiert und damit gleichzeitig den Zeitpunkt wiedergibt, zu dem der verantwortliche Entscheidungsträger die Sachentscheidung getroffen hat. So ist es auch hier, wie die Ärztekammer in ihrer amtlichen Auskunft dem Senat bestätigt hat. Deswegen bedarf es an dieser Stelle auch keiner weiteren Ausführungen, wie mit Sonderfällen zu verfahren ist, in denen abweichende Verwaltungsroutinen bestehen.“
Der Senat halte es für nicht zielführend und unpraktikabel, stattdessen, wie dies der Kl. meine, darauf abzustellen, wann das Schreiben in den Postausgang der Schlichtungsstelle gelangt sei:
„So könnte in diesem Fall der Empfänger den Fristbeginn ohnehin nicht eigenständig feststellen, weil dem Schreiben bei Empfang nicht anzusehen ist, wann es zur Post gelangt ist; wollte er sichergehen, müsste er vorsorglich zur Berechnung des Hemmungsendes und damit der zu wahrenden Verjährungsfrist ohnehin das Datum des Schreibens als frühesten denkbaren Zeitpunkt notieren, zu dem das Schreiben bei der Schlichtungsstelle in den Postausgang gelangt sein kann. Hinzu kommt, dass dieser Zeitpunkt – anders als jener, zu dem Entscheidungsträger die Unterschrift unter dem Ablehnungsschreiben leistet - gar nicht notwendigerweise aus der Akte ersichtlich sein wird. Ohne Not würde zudem bei dieser Sichtweise ein späteres Gerichtsverfahren verkompliziert, weil auf die Behauptung späteren Postausgangs möglicherweise nach Jahren ein Zeugenbeweis zu erheben wäre, dessen Ertrag regelmäßig zweifelhaft sein wird. Für diese Komplikation besteht wenig Anlass, wenn sich der Empfänger des Schreibens regelmäßig ohnehin an dem Datum des Schreibens wird orientieren müssen (s.o.). Die sachliche Entscheidung der zuständigen unterzeichnenden Person wird regelmäßig die Entscheidung mitumfassen, dass das gezeichnete Schriftstück dem Empfänger zugesandt werden möge. Warum man diesen gut bestimmbaren, eindeutigen Zeitpunkt, der die inhaltliche Entscheidung zur Übersendung markiert, ersetzen sollte durch den zufälligen, für Außenstehende nicht erkennbaren und unzureichend dokumentierten Zeitpunkt des Postausgangs, ist nicht begründbar, will man nicht juristische Probleme um ihrer selbst willen konstruieren.“
Der Entscheidung des BGH vom 28.10.2015 (NJW 2016, 236) sei nichts Anderes zu entnehmen:
„Soweit der Bundesgerichtshof dort die Sache aufgehoben und zurückverwiesen hatte, ging es um die Klärung der Frage, wann die Mitteilung veranlasst war, nachdem das Berufungsgericht dies nicht geklärt hatte, weil es auf einen vorherigen Zeitpunkt abgestellt hatte, nämlich auf den Zeitpunkt, zu dem die Ablehnung des Antragsgegners bei der Schlichtungsstelle eingegangen war. Dass die Zurückverweisung nicht von dem Gedanken geleitet war, das Berufungsgericht möge den tatsächlichen Postausgang feststellen, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass im dortigen Fall das Mitteilungsschreiben bereits einen Tag nach Erstellung bei dem Antragsteller eingegangen war, also Erstellung und Postausgang notwendigerweise am gleichen Tag stattgefunden haben mussten, insoweit also kein Klärungsbedarf bestanden hat. Dem entspricht, dass der 6. Senat in seinem Urteil vom 17.01.2017 (VI ZR 239/15 – Juris Rn. 20 = BGHZ 213, 281) ganz unproblematisch das Datum des Mitteilungsschreibens mit dem Hemmungsende gleichsetzt.“
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Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe
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