Wohnungseigentumsrecht - Rechtswidrigkeit baulicher Veränderung ohne Beschluss

Eine bauliche Veränderung muss beschlossen oder durch Beschluss gestattet werden. Ohne solchen Beschluss ist sie auch dann rechtswidrig, wenn ein Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG auf ihre Genehmigung durch Beschluss besteht.

Praxistipp
Die Frage nach den Rechtsfolgen einer baulichen Veränderung, die zwar ohne Beschluss durchgeführt wurde, aber auf Antrag zu genehmigen wäre, wird kontrovers diskutiert. Die Rechtsprechung zum früheren Recht lässt die Tendenz erkennen, auf das Fehlen des Beschlusses abzustellen, der die bauliche Veränderung erst legalisiert. Danach soll alleine das Fehlen der Zustimmung durch Beschluss für eine Verurteilung zum Rückbau ausreichen (s, etwa LG Hamburg, ZMR 2013, 373).

  

Dies ist zwar nach der h. M., die die Rechtmäßigkeit alleine aus der Beschlusslage ableitet, konsequent, vernachlässigt aber den Umstand, dass der Urheber der baulichen Veränderung u. U. sogar einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine entsprechende Beschlussfassung hat. Der (noch) gegebene Rückbauanspruch würde also alsbald entfallen, was jedenfalls nach dem Grundsatz des dolo-agit zu berücksichtigen wäre. Hingegen ließ der BGH erkennen, dass er ein nur auf das Fehlen des Beschlusses gestütztes Beseitigungsverlangen wohl für treuwidrig hält, wenn alle beeinträchtigten Wohnungseigentümer der baulichen Veränderung zugestimmt haben (BGH v. 7.2.2014-V ZR 25/13; ZMR 2014, 554).

   

Würde man diese Position über den Einzelfall hinaus verallgemeinern, liefe dies auf einen Vorrang der materiellen Rechtslage hinaus.

Damit würde aber dem nunmehr ausdrücklichen Postulat des Gesetzgebers zuwidergehandelt, der die Rechtmäßigkeit der baulichen Veränderung von einer gestattenden Beschlussfassung abhängig macht. Einen gangbaren Ausweg aus dieser Zwickmühle hat der BGH in einem anderen Zusammenhang aufgezeigt, in dem ebenfalls der Widerspruch zwischen noch bestehender Beschlusslage und materieller Rechtslage aufzulösen war. Hierbei ging es um die Vergemeinschaftung von Beseitigungsansprüchen, die angefochten und mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, aber noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt war.

   

In der Folge hätte die Beseitigungsklage einzelner Wohnungseigentümer im Hinblick auf die noch wirksame Vergemeinschaftung abgewiesen werden müssen, obwohl der entsprechende Beschluss im späteren Anfechtungsverfahren voraussehbar hätte für ungültig erklärt werden müssen. In diesem Zusammenhang ging der BGH davon aus, dass der Prozess wegen der Beseitigung der baulichen Veränderung so lange auszusetzen sei, bis über die Anfechtung der Vergemeinschaftung entschieden sei (BGH v. 26.10.2018-V ZR 328/17; ZMR 2019, 358=WuM 2019, 102; ZfIR 2019, 203; BGH v. 15.5.2020-V ZR 64/19; WuM 2020, 518=ZfIR 2020, 575=GE 2020, 997).

   

Dieser Rechtsgedanke lässt sich auf die vorliegende Konstellation übertragen. Demnach ist dem Urheber der baulichen Veränderung Gelegenheit zu geben, den Beschluss über die Gestattung zu erwirken, ggf. im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ersetzen zu lassen. Tut er dies nicht binnen angemessener Frist oder bleiben Antrag und Beschlussersetzungsklage erfolglos, ist der andere Prozess fortzusetzen und der Klage auf Beseitigung schon mangels Gestattung der baulichen Veränderung stattzugeben.

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22.02.2023

Informationen

LG Bremen
Urteil/Beschluss vom 08.07.2022
Aktenzeichen: 4 S 176/21;

Quelle

MietRB 2022, 2620=IMR 2022, 411

Fachlich verantwortlich

Dr. Dr. Andrik Abramenko RiLG

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