Gesetzliche Grundlage für transnationale Umwandlungen und mehr – Neuerungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) - Teil 4 - Wesentliche Aspekte transnationaler Umwandlung nach dem UmRUG - Anwendungsbereich

Verschmelzung

Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. UmwG entspricht im Wesentlichen den Vorgaben der UmwRL. Die derzeit bereits in §§ 122a bis 122m UmwG verankerte grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapital- und Personenhandelsgesellschaften wird in die §§ 305 bis 319 UmwG überführt. Über die Verweisnorm des § 305 Abs. 2 UmwG finden weitgehend die Bestimmungen des Ersten Buches über die Verschmelzung von Kapital- und Personenhandelsgesellschaften Anwendung.[1]

 

Spaltung

1. Spaltung zur Neugründung vs. Spaltung zur Aufnahme

Die grenzüberschreitende Spaltung wird der Zweite Teil des Sechsten Buches (§§ 320 bis 332 UmwG).[2] Die Vorschriften dienen der Umsetzung der Art. 160a bis 160u GesRRL. Da der Anwendungsbereich der GesRRL auf die grenzüberschreitende Spaltung zur Neugründung beschränkt ist (vgl. Art. 160b Nr. 3 GesRRL), sind vom Anwendungsbereich der Vorschriften des Zweiten Teils zunächst Aufspaltungen, Abspaltungen und Ausgliederungen zur Neugründung erfasst (§ 320 Abs.1 Nr. 1 UmwG).

Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber erfreulicherweise für eine partiell überschießende Umsetzung entschieden. Obgleich Titel II Kapitel IV GesRRL nur die grenzüberschreitende Spaltung zur Neugründung regelt, ist gemäß §§ 320 Abs. 1 Nr. 2, 332 UmwG eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls zulässig. Wie auch die Gesetzesbegründung betont, besteht hierfür ein erhebliches praktisches Bedürfnis.[3]

 

Allerdings erlaubt das Gesetz die transnationale Spaltung nur, wenn keine Gefahr für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer besteht.[4] Vom Anwendungsbereich erfasst sollen daher nur Spaltungen zur Aufnahme sein, bei denen die 4/5-Regelung des Art. 160l Abs. 2 GesRRL nicht eingreift, dh Spaltungen, bei denen die sich spaltende Gesellschaft in den letzten sechs Monaten vor Offenlegung des Spaltungsplans durchschnittlich eine Zahl von Arbeitnehmern beschäftigte, die weniger als 4/5 des im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Schwellenwerts für die Mitbestimmung entspricht. Ausweislich § 332 UmwG sind die Bestimmungen des Zweiten Teils auf eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme im Sinne des § 320 Abs. 1 Nr. 2 daher nur entsprechend anzuwenden, wenn in der übertragenden Gesellschaft und den übernehmenden Gesellschaften (1.) im Fall der Spaltung einer inländischen Gesellschaft (Herausspaltung) jeweils in den sechs Monaten vor Bekanntmachung des Spaltungsplans durchschnittlich weniger als 400 Arbeitnehmer (§ 332 Nr. 1 UmwG) bzw. (2.) im Fall der Aufnahme durch eine inländische Gesellschaft (Hereinspaltung) jeweils in den sechs Monaten vor Offenlegung des Spaltungsplans durchschnittlich weniger als vier Fünftel der Zahl der Arbeitnehmer, die für eine Mitbestimmung nach dem Recht des Staates maßgeblich sind, dem die übertragende Gesellschaft unterliegt (§ 332 Nr. 2 UmwG), beschäftigt sind.

 

Mit der Arbeitnehmer-Obergrenze schränkt der Gesetzgeber den primärrechtlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ein, die unstreitig auch für Spaltungen zur Aufnahme mit mehr als 399 Arbeitnehmern gilt. Dementsprechend müssen die beteiligten Unternehmen sich bei einer Spaltung zur Aufnahme unter Beteiligung von Gesellschaften mit mehr als 400 Beschäftigten weiterhin auf den unsicheren Pfad einer Herein- bzw. Herausspaltung auf der Basis der Art. 49, 54 AEUV begeben[5] oder eine Umgehungskonstruktion wählen.

 

Bei der Überlegung, ob Spaltungen zur Aufnahme auf Basis der Niederlassungsfreiheit durchgeführt werden können,[6] ist allerdings die etwaige Sperrwirkung einer möglicherweise abschließenden sekundärrechtlichen Harmonisierung einzubeziehen. Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten sind für eine Maßnahme nämlich nur Prüfungsmaßstab, wenn und soweit keine sekundärrechtlichen Regelungen als abschließende Harmonisierung auf der Ebene des Unionsrechts existieren, aufgrund derer die Ausformulierung und Konkretisierung der Grundfreiheiten in konkrete, abgegrenzte Rechte und Pflichten erfolgt.[7] Ausweislich Erwägungsgrund Nr. 8 zur UmwRL werden Spaltungen zur Aufnahme aber als sehr komplex angesehen, erfordern die Beteiligung der zuständigen Behörden mehrerer Mitgliedstaaten und bergen zusätzliche Risiken der Umgehung von Unionsvorschriften und nationalen Vorschriften.[8] Die Auslegung des Erwägungsgrundes Nr. 8 spricht insofern dafür, dass der Unionsgesetzgeber grenzüberschreitende Spaltungsvorgänge zur Aufnahme ganz bewusst nicht zulassen wollte und dass bezüglich grenzüberschreitender Spaltungsvorgänge die in der Richtlinie vorgesehenen Vorgänge eine abschließende sekundärrechtliche Harmonisierung darstellen sollen, was zu einer Sperrwirkung dieser abschließenden Harmonisierung führen und einen direkten Rückgriff auf die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49, 54 AEUV verbieten würde, sofern die Richtlinie nicht ihrerseits im Lichte der Niederlassungsfreiheit gegen primäres Unionsrecht verstößt.[9] In der Praxis ist dementsprechend Vorsicht geboten und ggf. auf die bestehenden Umgehungsstrategien auszuweichen.

 

2. Persönlicher Anwendungsbereich – keine überschießende Umsetzung für Personengesellschaften

§ 321 UmwG greift im Übrigen den Anwendungsbereich der GesRRL auf und beschränkt den die grenzüberschreitende Spaltung auf die Beteiligung von Kapitalgesellschaften als übertragende oder neue Rechtsträger. Als Gesellschaften deutscher Rechtsform kommen somit nur die Aktiengesellschaft, die KGaA und die GmbH in Betracht. Von einer überschießenden Einführung von Bestimmungen für grenzüberschreitende Spaltungen unter Beteiligung anderer Rechtsformen wurde in Ermangelung einer sekundärrechtlichen Grundlage abgesehen.[10] Entgegen Forderungen aus Wissenschaft und Praxis gibt es also insbesondere keine überschießende Umsetzung für Personengesellschaften. Der deutsche Gesetzgeber vernachlässigt an dieser Stelle, dass auf andere Rechtsformen weiterhin die Niederlassungsfreiheit und das damit zusammenhängende Richterrecht des EuGH anwendbar bleibt.

 

Wie bislang wird auch künftig ausschließlich die grenzüberschreitende Hereinverschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern ausdrücklich in den Anwendungsbereich des UmwG einbezogen (§ 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG = § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Somit bleibt Personengesellschaften im Bereich der Spaltung auch künftig nur der steinige und mit erheblichen Unsicherheiten behaftete Pfad grenzüberschreitender Umwandlungen auf der Basis von Art. 49, 54 AEUV. Die Erweiterung des Titels II der GesRRL auf Personengesellschaften bleibt daher ein wichtiges rechtspolitisches Desiderat.[11] Da bereits zahlreiche Mitgliedstaaten ihre Umwandlungsgesetze auf Grund der EuGH-Rspr. entsprechend angepasst haben und Personengesellschaften transnationale Umwandlungen ermöglichen, könnte Deutschland sonst dasjenige Land sein, das im Stadion sitzen bleibt, während alle anderen stehen.[12]

 

3. Auf die Spaltung anwendbare Vorschriften

Gemäß § 320 Abs.2 UmwG sind bei der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer grenzüberschreitenden Spaltung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die allgemeinen Vorschriften betreffend Spaltungen unter Beteiligung inländischer Rechtsträger sowie die besonderen Vorschriften betreffen Spaltungen inländischer Kapitalgesellschaften entsprechend anwendbar. Insbesondere finden bei einer Beteiligung einer Kapitalgesellschaft in Umsetzung des Art. 160j Abs. 2 GesRRL die Regelungen zur Nachhaftung gemäß § 133 UmwG auf die beteiligten in- und ausländischen Rechtsträger Anwendung. Die allgemeinen und die Kapitalgesellschaften betreffenden Vorschriften des Zweiten Buches sind über Verweisnormen, insbesondere § 125 Abs. 1 Satz 1 UmwG, entsprechend anwendbar. Die Anwendbarkeit steht unter dem Vorbehalt, dass sich aus dem Zweiten Teil keine spezielleren Bestimmungen ergeben oder bestimmte Vorschriften für unanwendbar erklärt werden. Im Übrigen finden sich im Zweiten Teil punktuelle Verweise auf den Ersten Teil des Sechsten Buches, d.h. die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung.

 

Formwechsel

Erstmals kodifiziert wird in §§ 333-345 UmwG schließlich der grenzüberschreitende Formwechsel. (= „Umwandlungen“ in der Terminologie der Richtlinie).[13] Formwechselfähige Gesellschaften sind ausweislich § 334 UmwG ausschließlich Kapitalgesellschaften, wenn sie (1.) nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen EWR-Vertragsstaats gegründet worden sind und (2.) ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen EWR-Vertragsstaat haben. Als inländische Rechtsformen kommen daher nur die AG, die KGaA und die GmbH in Betracht.

 

Von einer überschießenden Einführung von Bestimmungen für grenzüberschreitende Formwechsel zwischen anderen Rechtsformen wurde in Ermangelung einer sekundärrechtlichen Grundlage abgesehen.[14] Insbesondere bei Personengesellschaften verbleibt nur der Weg eines Formwechsels auf Basis der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV). Alternativ

 

Siehe hierzu die folgenden Informationen.

 

Einführung

 

Minderheitenschutz

 

Gläubigerschutz

 

Schutz der Arbeitnehmer

 

Rechtsmäßigkeitskontrolle, insb. Missbrauchskontrolle

 

[1] Zum künftigen Verfahren grenzüberschreitender Verschmelzungen vgl. ausf. Heckschen/Knaier GmbHR 2022, 501 511 ff. sowie Bungert/Reidt DB 2022, 1369, 1378 f.

[2] Zum Verfahren der grenzüberschreitenden Spaltung Heckschen/Knaier GmbHR 2022, 613 ff.

[3] Siehe nur Bayer/J. Schmidt BB 2019, 1922, 1926; Bormann/Stelmaszczyk ZIP 2019, 353, 355; Bungert/Becker DB 2019, 1609, 1617; J. Schmidt EuZW 2019, 801, 802; J. Schmidt NZG 2022, 579, 580; Stelmaszczyk GmbHR 2020, 61, 64.

[4] Zu dieser Einschränkung kritisch ua Luy/Redler notar 2022, 163, 165; J. Schmidt NZG 2022, 579, 580; Widmann/Mayer/Vossius in Widmann Mayer aktuell, April 2022, Abschnitt A.I.1.d)aa).

[5] J. Schmidt NZG 2022, 579, 580.

[6] Dafür plädieren ua Stelmaszczyk GmbHR 2020, 61, 64.

[7] So Schulte GmbHR 2020, 139 (144) ua unter Verweis auf Calliess/Ruffert/Kingreen EUV/AEUV, Art. 36 AEUV Rn. 18.

[8] Siehe Erwägungsgrund 8 der RL (EU) 2019/2121.

[9] Siehe Schulte GmbHR 2020, 139 (144), der es als Richter beim AG Charlottenburg – Registergericht – für schwerlich vorstellbar erachtet, dass die Registergerichte an grenzüberschreitenden Spaltungsvorgängen zur Aufnahme direkt aus Art. 49, 54 AEUV „an der Richtlinie vorbei“ mitwirken.

[10] So die Begr RegE zu § 321 UmwG.

[11] J. Schmidt NZG 2022, 579, 580.

[12] So gewohnt pointiert Widmann/Mayer/Vossius in Widmann Mayer aktuell, April 2022, Abschnitt A.I.1.d)aa).

[13] Zum Verfahren Heckschen/Knaier GmbHR 2022, 613, 617 ff.

[14] Begr RegE zu § 334 UmwG.

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04.04.2023

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