Gesetzliche Grundlage für transnationale Umwandlungen und mehr – Neuerungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) - Teil 4 - Wesentliche Aspekte transnationaler Umwandlung nach dem UmRUG - Rechtsmäßigkeitskontrolle, insb. Missbrauchskontrolle

Die Rechtmäßigkeitskontrolle erfolgt bei allen drei Umwandlungsvarianten im Grundsatz nach dem schon von der grenzüberschreitenden Verschmelzung her bekannten zweistufigen Verfahren. Auf der ersten Stufe werden zunächst im Ausgangsmitgliedstaat diejenigen Verfahrensschritte geprüft, für die dessen Recht maßgeblich ist. Fällt die Prüfung positiv aus, wird eine Vorabbescheinigung ausgestellt, die dann an die Kontrollstelle im Zielmitgliedstaat übermittelt wird. Diese prüft dann auf der zweiten Stufe nur noch die Rechtmäßigkeit derjenigen Verfahrensschritte, für die das Recht des Zielmitgliedstaats maßgeblich ist.[1] Zusammenfassend stellt sich das Kontrollsystem wie folgt dar.[2]

 

Im Detail gibt es erhebliche Neuerungen. So wird zunächst der Umfang der einzureichenden Unterlagen und Informationen erweitert. Erforderlich sind nun neben Versicherungen zum Gläubigerschutz und zu Arbeitnehmerrechten insbesondere auch Angaben zur Zahl der Arbeitnehmer, zu Tochtergesellschaften sowie zu Forderungen der öffentlichen Hand (§§ 315 Abs. 4, 329 Satz 1, 342 Abs. 4 UmwG).

Hinsichtlich der Vorabbescheinigung wird explizit klargestellt, dass diese als schlüssiger Nachweis der ordnungsgemäßen Erledigung der Verfahren und Formalitäten nach dem Recht des Ausgangsmitgliedstaats anerkannt wird und dass die grenzüberschreitende Umwandlung ohne sie nicht eingetragen werden kann (§§ 318 Abs. 2, 329 Satz 1, 345 UmwG).

 

Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Vorabbescheinigung in den einzelnen Mitgliedstaaten hat es der europäische Gesetzgeber hingegen leider versäumt, ein Standardformular zu schaffen.[3] Auf deutscher Seite ist zumindest statt der bisherigen problematischen Fiktionswirkung der Eintragungsmitteilung (vgl. § 122k Abs. 2 Satz 2 UmwG) vorgesehen, dass das Gericht von Amts wegen eine Vorabbescheinigung über den Inhalt der Eintragung erstellt, in der dann nicht nur Umwandlungsverfahren und beteiligte Gesellschaften spezifiziert werden, sondern auch explizit festgestellt wird, dass alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt und alle erforderlichen Verfahren und Formalitäten erledigt sind (§§ 316 Abs. 1 Satz 2 und Satz 4, 329 Satz 1 und Satz 3, 343 Abs. 1 Satz 2 und 4 UmwG, § 46a Abs. 3 HRV-E).[4] § 9 Abs. 1 Satz 1 HRV-E sieht ferner vor, dass die Umwandlungsbescheinigung in den Registerordner aufgenommen wird und damit gem. § 9b Abs. 1 Satz 1 HGB idFd. DiRUG über das BRIS[5] zugänglich ist.

Als problematisch könnte sich die durch das UmRUG in Umsetzung der UmwRL neu etablierte Missbrauchskontrolle erweisen, welche die Prüfpflichten des Registergerichts substantiell erweitert.[6] Wenn die grenzüberschreitende Umwandlung zu missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll, darf keine Vorabbescheinigung erteilt werden. Der Referentenentwurf bestimmt insoweit im Einklang mit dem Wortlaut der Richtlinienvorgaben, dass das Gericht prüft, ob die grenzüberschreitende Umwandlung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll; wird dies bejaht, darf keine Vorabbescheinigung erteilt werden (§§ 316 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 329 Satz 1, 343 Abs. 3 Sätze 1 und 2 UmwG).[7] Ausweislich der Begründung ist dabei stets eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erforderlich, wobei beispielhaft aufgeführt werden die Einleitung eines Verhandlungsverfahrens erst auf Aufforderung der Gerichts, offene Forderungen der öffentlichen Hand, keine bzw. unrichtige Versicherungen oder falsche Angaben.[8] Nachdem damit letztlich der vom EuGH in stRspr aufgestellte allgemeine Missbrauchsvorbehalt kodifiziert wird, ist die Regelung nur eine ultima ratio und eng auszulegen.[9] Auch die Gesetzesbegründung stellt den absoluten Ausnahmecharakter eines Umwandlungsmissbrauchs im europarechtlichen Kontext deutlich heraus.[10]

 

Erfreulicherweise sieht vor diesem Hintergrund der Regierungsentwurf im Vergleich zum Referentenentwurf in § 316 Abs. 3 Satz 1 UmwG nunmehr vor, dass das Gericht nur beim Vorliegen von Anhaltspunkten prüft, ob die grenzüberschreitende Verschmelzung rechtsmissbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken dient. Solche Anhaltspunkte können sich etwa auf Grund substantiierter Darlegungen in einer eingereichten Schutzschrift ergeben.[11] Liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte vor, dass die beteiligten Gesellschaften mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung missbräuchliche Zwecke verfolgen, bedarf es keiner weiteren Sachverhaltsermittlungen.[12]

 

Man wird abwarten müssen, wie die Registerpraxis mit dem Thema umgeht. Sofern für Zwecke der Missbrauchsprüfung erforderlich, kann jedenfalls der Prüfungszeitraum von grundsätzlich drei Monaten um höchstens drei Monate verlängert werden (§§ 316 Abs. 1 Sätze 1 und 3, 329 Satz 1, 343 Abs. 3 Sätze 1 und 3 UmwG).

 

Siehe hierzu die folgenden Informationen.

 

Einführung

 

Anwendungsbereich

 

Minderheitenschutz

 

Gläubigerschutz

 

Schutz der Arbeitnehmer

 

[1] Im Einzelnen J. Schmidt NZG 2022, 635, 639 f.

[2] Grafik bei J. Schmidt NZG 2022, 635, 639.

[3] Kritisch bereit J. Schmidt BB 2021, 1923, 1924.

[4] J. Schmidt NZG 2022, 635, 639 f.

[5] System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern in Europa („Business Registers Interconnection System“ – BRIS).

[6] Einzelheiten bei Bungert/Reidt DB 2022, 1369, 1378 f.; Heckschen/Knaier GmbHR 2022, 501 508 f.; J. Schmidt NZG 2022, 635, 640.

[7] J. Schmidt NZG 2022, 635, 640. Mit guten Gründen hätte man auch davon ausgehen können, dass Deutschland die entsprechenden Vorgaben auch ohne weitere gesetzgeberische Maßnahmen bereits sichergestellt hat: Zum einen hat in solchen Fällen der Notar seine Mitwirkung bei Beurkundungen zu verweigern (§ 4 BeurkG, § 14 Abs. 2 BNotO), zum anderen unterliegt auch das Handelsregister im Rahmen seiner Prüfungspflicht dem Legalitätsprinzip und darf in solchen Fällen nicht eintragen, vgl. Widmann/Mayer/Vossius in Widmann Mayer aktuell, April 2022, Abschnitt A.I.1.d)cc).

8] RegE UmRUG, Begründung zu § 316 UmwG.

[9] So zu Recht J. Schmidt NZG 2022, 635, 640; J. Schmidt ZEuP 2020, 565, 577.

[10] Begr RegE zu § 316 Abs. 3.

[11] Begr RegE zu § 316 Abs. 3.

[12] Begr RegE zu § 316 Abs. 3.

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04.04.2023

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